"Ich arbeite dort, wo andere Urlaub machen"

Tee oder Kaffee? Fotos von der Familie oder Kunstdrucke? Schnitt- oder Topfblumen? In dieser Serie besucht der Trierische Volksfreund Chefs von Unternehmen und Organisationen der Region Trier in ihrem Büro - und lässt sie erzählen, warum sie ihren Arbeitsplatz so und nicht anders eingerichtet haben. Heute ist der TV zu Gast bei Günter Gesellchen, Chef von WOM-Büro und Gastromöbel, in Mehring.

In diesem Gebäude liegt der Ursprung unseres Familienbetriebs: In vierter Generation habe ich Schreiner gelernt. Aus gesundheitlichen Gründen konnte ich den Beruf leider nicht weiter ausführen, weshalb ich einen Möbelvertrieb gegründet habe.
Im Büro sitze ich Schreibtisch an Schreibtisch mit meinem Vater. Er ist bereits 79 Jahre alt, kommt aber weiterhin jeden Tag hierhin. Die ursprüngliche Schreinerei gibt es zwar nicht mehr, aber ein Großteil dient als Schauraum für Büro- und Gastronomiemöbel. Mein Vater führt heute ein Bestattungsinstitut und Platz zum Tischlern hat er auch noch. Meine Eltern wohnen direkt über dem Laden. Früher habe ich mal gedacht, leben und arbeiten an einem Ort sei ein Traum. Heute sehe ich das etwas anders und bin froh, dass ich nicht direkt am Geschäft wohne. Sonst macht man nie richtig Feierabend. Dafür arbeite ich dort, wo andere Urlaub machen. Von unserem Büro aus blicken wir durch den Verkaufsraum und die Schaufenster hindurch auf die ruhige Medardusstraße, die Weinberge und in Winzerhöfe.
Im Grunde ist unser Büro ebenfalls ein Schauraum: Die Schreibtische und die Stühle, die wir selbst nutzen, haben wir auch im Sortiment. Mein Tisch ist elek-tronisch höhenverstellbar. Ich wechsele immer ab: Mal sitze ich beim Arbeiten, mal stehe ich oder nutze den Pendelhocker, das ist gut für den Rücken.
Im Büro bin ich meist gegen 9 Uhr, abends wird es öfter schon mal länger, da ich sehr viel unterwegs bin. Unser Einzugsgebiet reicht von Köln bis nach Karlsruhe. Allerdings kann ich aufgrund der zunehmenden Verkehrsdichte immer weniger Termine pro Tag abarbeiten. Wo früher vier Kundenbesuche möglich waren, sind es heute nur noch zwei. Wenn ich das Geschäft verlasse, schalte ich mein Telefon aufs Handy um und bin so zumindest über die Mailbox zu erreichen.
Auf meinem Schreibtisch stehen Bilder von meiner Lebensgefährtin. Fotos von meinen beiden Kindern sind auf allen Computern - auf dem Laptop, dem Tablet sowie auf dem Computer, den ich zu Hause benutze. Die Geräte sind alle miteinander vernetzt, so dass ich von überall an die wichtigen Daten komme.
An eine Wand haben wir Postkarten gepinnt, die uns Mitarbeiter aus dem Urlaub geschickt haben. Darüber hängt der Meisterbrief meines Vaters.
Ich mache gern zwischendurch einen Scherz. Eine meiner Leitlinien beim Arbeiten ist: Versuche zwar möglichst vieles locker zu sehen, aber auf jeden Fall zuverlässig zu sein. So lässt sich auch zu den Kunden besser ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Das geht nicht, wenn ich steif wirke. Das ist auch ein Grund, warum ich keinen Anzug oder Schlips trage. Das Sakko ist bei mir das eleganteste Kleidungsstück.
Auch mit meinen fünf Mitarbeitern gehe ich möglichst unkompliziert um. Wir kennen uns alle schon sehr lange, da bedarf es sowieso nicht mehr vieler Worte, um sich zu verstehen. Allerdings duze ich mich nicht mit meinen Angestellten. Dieser gegenseitig respektvolle Umgang hilft in mancher Situation."
Aufgezeichnet von Ariane Arndt-Jakobs
Extra

Wie bereits sein Vater, sein Großvater und sein Urgroßvater machte Günter Gesellchen nach der Schule eine Schreinerausbildung im elterlichen Betrieb in Mehring. Da er diesen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht weiterführen konnte, ging er für eine zweijährige Weiterbildung in ein Einrichtungshaus in München und entschloss sich dann, einen Möbelvertrieb zu gründen. Anfangs formierten die Schreinerei seines Vaters und sein junges Unternehmen unter einem Dach. Nach ersten größeren Aufträgen, unter anderem die komplette Innenausstattung der Europäischen Kunstakademie in Trier, trennten sie die Geschäfte voneinander. Zunächst hatte Günter Gesellchen ein Büro in Schweich, später in Longuich. Seit elf Jahren ist er zurück in Mehring, wo ein Großteil der Schreinerei, die mittlerweile seit 126 Jahren besteht, von seiner Firma WOM-Büro und Gastro-Möbel Günter Gesellchen genutzt wird. arn

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