Mit neuen Richtlinien Unfallzahlen senken

Trier · Exakt 134 Seiten umfasst das vom Bund herausgegebene neue technische Regelwerk, die Richtlinien für die Anlage von Landstraßen (RAL). Ziel ist, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen außerorts einheitlicher und sicherer zu machen. Das Land Rheinland-Pfalz hat die RAL verpflichtend eingeführt - allerdings teils mit eigenen Regelungen.

Trier. "Horrorunfall auf der B 51: 20-Jähriger stirbt": Solche traurigen Schlagzeilen finden sich immer wieder im Trierischen Volksfreund. 60 Prozent aller tödlichen Unfälle in Deutschland ereignen sich laut Statistischem Bundesamt auf Landstraßen.
Dem ADAC-Verkehrsexperten Christoph Hecht zufolge sterben die meisten Menschen auf Landstraßen, weil sie von der Fahrbahn abkommen und mit einem Hindernis kollidieren. "Meist mit einem Baum", sagt Hecht. Besonders gefährlich sei auch das Einfahren in Landstraßen sowie das Überqueren. Das Fatale: Ein Aufprall findet seitlich statt, Sicherheitssysteme wie Gurte oder der Airbag sind jedoch meist nach vorne ausgerichtet. Drittens führt Hecht Knotenpunkte als häufige Unfallstelle auf.
Der Landesbetrieb Mobilität (LBM) Rheinland-Pfalz nennt nicht angepasste Geschwindigkeit, ungenügend Sicherheitsabstand sowie andere Fehler beim Fahrzeugführer, als hauptsächliche Ursachen der Unfälle auf den Landstraßen.Mehr Einheitlichkeit


Neue, standardisierte Straßenführungen könnten Fehlverhalten auffangen: Um mehr Menschenleben zu retten, hat die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums an Projekt "RAL (Richtlinien für die Anlage von Landstraßen) neu" gearbeitet. Besonders viel Wert wurde auf Einheitlichkeit und damit auf den Wiedererkennungswert gelegt. Denn etliche Experten bemängeln einen Wildwuchs auf Landstraßen: Kreuzungen mit Ampel, Kreuzungen ohne Ampel, Kreisverkehre, manchmal Auffahrten wie bei Autobahnen.
In dem technischen Regelwerk werden unter anderem vier Entwurfsklassen vorgestellt (siehe Extra Landstraßentpyen): Auf viel befahrenen Landstraßen geht der Trend zur Dreispurigkeit. Alle zwei Kilometer soll es zusätzliche Überholspuren geben, um gefährlichen Überholmanövern entgegenzuwirken. Ein dicker grüner Streifen soll abschrecken, die Gegenfahrbahn zu nutzen.
"Wir denken, dass dieser methodische Ansatz absolut richtig ist", kommentiert Christoph Hecht die Richtlinien. Kritisch sieht er, dass es keine Nachrüstungspflicht für die Straßenbetreiber gibt. Auch Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), sagt: "Für uns ist die RAL ein wichtiger Schritt hin zu selbsterklärenden Straßen mit gut erkennbarem Straßenverlauf und begreifbaren Verkehrsführungen und damit zu mehr Verkehrssicherheit." Allerdings seien die Richtlinien nur für den Neu- und Ausbau von Landstraßen vorgesehen und derzeit nur für Bundesstraßen verbindlich. "Die UDV erwartet daher, dass die Länder die RAL auch für Landes- und Staatstraßen einführen und die Kommunen und Kreise ihre Außerortsstraßen ebenfalls nach den RAL planen", betont Brockmann.
Zudem solle das bestehende Straßennetz an die Gestaltungsvorgaben angepasst werden. Laut LBM-Sprecherin Verena Blümling, habe das Land Rheinland-Pfalz im Mai dieses Jahres für seinen Geschäftsbereich die RAL eingeführt - allerdings teilweise mit abweichenden Regelungen.
Die letzte der vier Entwurfsklassen sei nicht eingeführt worden. "Die neue RAL sieht bei dieser Klasse einen Fahrbahnquerschnitt mit sechs Metern befestigter Breite vor", begründet Blümling. Eine solche Breite sei mit Blick auf das bewegte Gelände in der Mittelgebirgslandschaft aus wirtschaftlicher Sicht und aus Naturschutzgründen nicht zu vertreten. Das Land habe hier eigene Regelungen getroffen, "die auch geringere Fahrbahnbreiten ermöglichen". Die Richtlinien ließen sich nicht so einfach auf das bestehende Straßennetz übertragen. Damit dies dennoch möglich wird, wird laut Blümling bundesweit ein Merkblatt vorbereitet.
Darin sollen Umsatzstrategien benannt und konkrete Anpassungsmaßnahmen aufgezeigt werden. Ein weiteres Handicap bei der Umsetzung: Die Richtlinien sind noch nicht in der Straßenverkehrsordnung verankert.
Wann alle Landstraßen in Deutschland die RAL-Kriterien erfüllen werden, vermag derzeit niemand einzuschätzen.Extra

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) prüft ein neues System für elektronische Falschfahrerwarnungen auf Autobahnen. Er plant eine Sicherheitsüberprüfung sämtlicher Auffahrten und ein Pilotprojekt für Falschfahrerwarnungen. Eine vom Ministerium in Auftrag gegebene Studie hat gezeigt, dass rund 1800 Falschfahrer pro Jahr 75 bis 80 Unfälle verursachen. Bei dem Projekt geht es um ein "digitales Testfeld Autobahn", mit dem verschiedene Systeme zur frühzeitigen Erkennung von Falschfahrern erprobt werden sollen, die über bisher geplante knallgelbe Falschfahrer-Stoppschilder hinausgehen würden. Bereits in Auftrag gegeben ist ein Pilotprojekt, mit dem Falschfahrer an Anschlussstellen automatisch erkannt und andere Autofahrer visuell und akustisch gewarnt werden können. Zu Kosten und ob Kennzeichen von Falschfahrern automatisch erfasst und gespeichert werden sollen, konnte ein Sprecher des Ministers noch nichts sagen. Seit Jahren debattieren Bund und Länder über eine bundesweite Einführung von Warnvorrichtungen. Laut Automobilclub von Deutschland (AvD) würde zum Beispiel ein deutschlandweites Warnsystem in der Fahrbahn 25 Millionen Euro kosten. So könnten Induktionsschleifen in die Fahrbahn gelegt werden, die rotes Blitzlicht und Warnschilder in Gang setzen, sobald sie in falscher Richtung überfahren werden. dpaExtra

Laut RAL sind vier Landstraßentypen mit unterschiedlichen Merkmalen vorgesehen: Klasse 1 - Fernstraßen: Durchgängig mit drei Fahrstreifen. Der mittlere Fahrstreifen ist dabei abwechselnd der einen oder der anderen Fahrtrichtung als Überholfahrstreifen zugeordnet. Ein dicker grüner Mittelstreifen trennt beide Fahrtrichtungen. Klasse 2 - Überregionalstraßen: In regelmäßigen Abständen dreistreifige Abschnitte. Kreuzungen und Einmündungen sollen in der Regel signalisiert werden. Fahrtrichtungen werden mit doppelten Linien markiert. Klasse 3 - Regionalstraßen: Überholen soll nur bei ausreichend großen Sichtweiten und Lücken im Gegenverkehr möglich sein. Bei viel Verkehr werden Kreuzungen und Einmündungen signalisiert. Alternativ sind sichere Kreisverkehre möglich. Klasse 4 - Nahbereichsstraßen: Breiter Fahrstreifen ohne Mittelmarkierung. Breite abgerückte Randmarkierungen. kat

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