Reichlich Ausbildungsplätze für Schulabgänger

Trier · Sinkende Schülerzahlen setzen die Wirtschaft unter Druck. Für viele Unternehmen in der Region wird es immer aufwendiger und schwieriger, guten Nachwuchs zu finden. Wie schätzen die Experten die Situation für 2013 ein?

Trier. Bei der Industrie- und Handelskammer Trier (IHK) wie bei der Handwerkskammer Trier (HWK) lässt sich in dem noch jungen Jahr bereits ein Trend ablesen. Marcus Kleefisch, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der IHK: "Viele engagierte Unternehmen sichern sich die guten Nachwuchskräfte immer früher", sagt der Ausbildungsexperte. Diese Entwicklung zeichnet sich nun auch bei den Handwerksbetrieben ab, wie HWK-Geschäftsführer Günther Behr bestätigt: "Dies war in der Vergangenheit für Handwerker eher ungewöhnlich. Doch inzwischen sind es schon einige Unternehmen, die sich jetzt schon Azubis für das kommenden Ausbildungsjahr gesichert haben."
So habe die Kammer zum Jahreswechsel bereits 43 neue Lehrverträge für den kommenden Sommer vorliegen. "Das hört sich nicht viel an, ist aber im Vergleich zu den Einzelfällen früherer Jahre doch ein deutlicher Trend", so Behr.
Doch weitaus mehr Handwerksfirmen sind auch jetzt schon auf intensiver Suche. Auf den entsprechenden Seiten der Kammer haben die Betriebe mehr als 900 freie Lehrstellen für das kommende Ausbildungsjahr eingestellt.
Bei der Agentur für Arbeit in Trier rechnen die Verantwortlichen mit einer ähnlichen Tendenz wie im vergangenen Jahr. Sprecherin Isabell Juchem: "2012 haben sich gut 3500 junge Menschen bei uns für eine Ausbildung gemeldet. Auf der anderen Seite haben aber auch die Unternehmen gut 3800 Ausbildungsstellen eingestellt." Und auch bei der Agentur lässt sich schon Anfang des Jahres erkennen, dass viele Unternehmen Nachwuchs suchen. "Vor allem aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe gibt es eine große Nachfrage, etwa für Köche. Gefragt sind aber Jugendliche, die in die kaufmännischen Bereiche oder in den Einzelhandel wollen", sagt Juchem.
Der Blick auf die Zahlen des Statistischen Landesamtes in Bad Ems (siehe Grafik) bestätigt die Einschätzung. Die Zahl der Schüler in der Region Trier hat sich in den vergangenen Jahren reduziert, und auch die Zahl der Schulabgänger, die überhaupt für eine duale Ausbildung infrage kommen, sinkt weiter. "Der Ausbildungsmarkt in der Region hat sich gegenüber den vergangenen Jahren stark gewandelt. Heute haben wir mehr offene Stellen als Bewerber, deshalb ist Fachkräftesicherung für die heimische Wirtschaft umso schwieriger zu bewerkstelligen", sagt Marcus Kleefisch. Deshalb müssten die Akteure gemeinsam die guten Karriereperspektiven der dualen Ausbildung noch stärker deutlich machen. Von den etwa 6200 Schulabgängern jedes Jahr entscheiden sich etwa 3700 für eine duale Ausbildung.
"Den guten Kandidaten müssen wir auch die Chancen aufzeigen, die etwa ein duales Studium bietet", findet Kleefisch. Schulabsolventen können beim dualen Studium eine Lehre mit einem Studium verbinden. In der Regel erwerben sie in viereinhalb Jahren einen Gesellenbrief und darauf aufgesetzt einen Bachelor-Abschluss.
Die Ausbildungsbereitschaft der heimischen Wirtschaft ist indes weiter ungebremst. Genau 2266 Lehrverträge wurden im vergangenen Jahr bei den IHK-Betrieben eingetragen, 1507 Lehrverträge haben die Handwerksbetriebe eintragen lassen. Damit bewegen sich die Unternehmen auf dem Ausbildungsniveau von 2011.
Kammern wollen Kante zeigen


Doch die Kammern wollen der dualen Ausbildung auch in der öffentlichen Diskussion den Rücken stärken. "Wir müssen noch stärker klare politische Kante zeigen", sagt Marcus Kleefisch. Es sei wichtig, beim Bildungsministerium dafür zu sorgen, dass die duale Berufsschule nicht gegen die allgemeinbildenden Schulen ins Hintertreffen gerät. "Es ist nicht akzeptabel, dass an den Berufsschulen rund 6,3 Prozent der Stunden ausfallen, an den allgemeinbildenden Schulen aber lediglich 2,4 Prozent. "Die Landesregierung muss aus der sogenannten demografischen Dividende (das bei geringeren Schülerzahlen weniger Lehrer notwendig sind) mehr Lehrer in der dualen Berufsschule einsetzen", fordert der IHK-Geschäftsführer.
Extra

Die Erwerbschancen der Jugendlichen in Deutschland sind überdurchschnittlich gut. Wenn der Berufeinstieg allerdings nicht gelingt, oder der Job schlecht bezahlt wird, besteht für die 18- bis 25-Jährigen ein besonders hohes Armutsrisiko. Dieses differenzierte Bild ergibt sich aus der Stellungnahme der Bundesregierung zu einer parlamentarischen Anfrage der Linken im Bundestag, die dem TV vorliegt. Die Wirtschaftskrise im Euro-Raum macht um Deutschlands junge Generation weiter einen großen Bogen. Nach den Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostart ist derzeit im Schnitt fast jeder Vierte unter 25 Jahren (24,4 Prozent) in der Euro-Zone ohne Job. In Deutschland ist es dagegen nur etwa jeder Zehnte. In der Region Trier liegt die Arbeitslosenquote für junge Menschen bei knapp vier Prozent. Seit 2005 habe sich die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland "mehr als halbiert", schreibt das Bundesarbeitsministerium in seiner Stellungnahme. Die durchschnittlich 21,1 Wochen andauernde Arbeitslosigkeit eines Jugendlichen zeige, dass auch der Übergang von der Ausbildung in Arbeit verhältnismäßig kurz sei. Bezogen auf alle Erwerbslosen sind es 67 Wochen, also mehr als dreimal so viel. vet

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