Tabakindustrie kontert mit neuen Produkten

Trier · Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Raucher in Deutschland erneut gesunken. Höhere Steuern und schärfere Regeln der Europäischen Union stellen die regionalen Tabakverarbeiter vor neue Herausforderungen.

 Auf die hohe Tabaksteuer folgen höhere Tabakpreise. Foto: dpa

Auf die hohe Tabaksteuer folgen höhere Tabakpreise. Foto: dpa

Trier. In Zügen, Flugzeugen und öffentlichen Gebäuden ist es längst Alltag: Raucher müssen draußen bleiben. Und auch andernorts werden sie seltener. Denn die Deutschen qualmen immer weniger - zumindest, was die offiziellen Verkaufszahlen anbelangt (siehe Extra).
Nichtraucher leben dabei nicht nur gesünder, sondern auch billiger. Seit Januar 2011 ist die Tabaksteuer in Deutschland viermal gestiegen. Eine fünfte und vorerst letzte Erhöhung folgt am 1. Januar 2015.
Reaktion vorhersehbar


Die Reaktion der Branche ist jedes Jahr dieselbe: Der höheren Steuer folgen höhere Preise. Auch die regionalen Tabakverabeiter haben reagiert. Während Japan Tobacco International (JTI) seine Produkte erst seit August teurer an den Raucher bringt, hat Hans van Landewyck bereits zu Jahresbeginn die Preise angehoben.
Im Gegensatz zu den größeren Herstellern könne man sich die Ertragsausfälle durch eine späte Preiserhöhung nicht leisten, erklärt Hans-Josef Fischer, Landewyck-Geschäftsführer in Trier. "Auf den Verkauf hat das bisher keine nennenswerte Auswirkung gehabt. Der Kunde hat weiterhin gekauft", sagt Fischer. Entscheidend für die Trierer Standorte sind neben Steuer- und daraus resultierenden Preiserhöhungen jedoch zahlreiche andere Faktoren. Denn sowohl Landewyck als auch JTI produzieren nicht nur für den heimischen Markt.
Landewyck stellt in Trier ausschließlich Tabak zum Drehen und Stopfen her. Die jährlich circa 4500 Tonnen werden für etwa 200 Produkte samt Varianten verwendet, die außer in Deutschland hauptsächlich den europäischen Markt bedienen.
Bei JTI gehen über 90 Prozent der Trie rer Produktion ins Ausland, ein Großteil davon in Länder der Europäischen Union (EU). "Deutliche Absatzrückgänge in mehreren EU-Ländern würden sich schnell zu hohen Produktionsausfallzeiten am Standort Trier addieren", sagt Heike Maria Lau, Pressesprecherin bei JTI. Der Blick der regionalen Hersteller geht daher auch immer nach Europa.
Mit der EU-Tabakproduktrichtlinie, die in Deutschland bis zum 20. Mai 2016 umgesetzt werden muss, sind beide nicht zufrieden. Die Regeln, die Raucher vor den gesundheitlichen Risiken warnen und Jugendliche besser schützen sollen, sehen unter anderem ein Verbot von Zusatzstoffen wie Menthol und Schockfotos von Raucherlungen oder faulen Zähnen auf den Verpackungen vor (der TV berichtete).
Hans-Josef Fischer befürchtet, dass die Umsetzung der Richtlinie aufgrund der technischen und finanziellen Anforderungen zu einer Monopolisierung des Marktes führen könnte. "Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen werden in ihrer Existenz bedroht."
Neue Produkte


Ungeachtet dessen stecken beide Hersteller Geld in die Entwicklung neuer Produkte. JTI produziert in Trier die Aluminiumkapseln für ein Gerät namens Ploom. "Ploom ist weder eine klassische Zigarette noch eine herkömmliche E-Zigarette, sondern erhitzt eine Tabakkapsel auf eine Temperatur, bei der der Tabak nicht verbrennt", sagt Lau. Mit der Entscheidung, die Produktion nach Trier zu verlegen, wolle JTI den Trierer Standort stärken.
Auch Landewyck hat sein Angebot abseits der klassischen Tabakware erweitert. Seit wenigen Wochen bietet das Unternehmen eine E-Zigarette namens Fiesta auch auf dem deutschen Markt an. Produziert wird diese allerdings nicht in Trier. Nach Fischers Ansicht ist die E-Zigarette ein Marktsegment, mit dem man sich beschäftigen müsse. Ob sie sich durchsetze, sei eine andere Frage.Extra

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden ist der Verkauf versteuerter Zigaretten in Deutschland 2013 erneut gesunken. Wurden 2012 noch 82,4 Milliarden Zigaretten verkauft, gingen im vergangenen Jahr 80,3 Milliarden Stück über die Ladentheke. Das ist ein Rückgang um 2,6 Prozent. Mit 12,2 Milliarden Euro machte der Verkauf von Zigaretten 86 Prozent der Tabaksteuereinnahmen aus. Der Deutsche Zigarettenverband (DZV) weist darauf hin, dass der Anteil in Deutschland konsumierter, aber nicht in Deutschland versteuerter Zigaretten im gleichen Zeitraum von 20,6 Prozent (2012) auf 21,7 Prozent (2013) gestiegen sei. Der DZV beruft sich bei den Zahlen auf eine repräsentative Untersuchung, die die Zigarettenindustrie 2004 beim Marktforschungsinstitut Ipsos GmbH in Auftrag gegeben hat. Die Studie sei zusätzlich vom Tüv Berlin/Brandenburg begutachtet und vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut geprüft worden. Auf TV-Anfrage teilt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit, dass in der vom DZV genannten Studie keine Unterscheidung zwischen legal im Ausland erworbenen und geschmuggelten Zigaretten vorgenommen werde. Die Studie könne der Zollverwaltung daher allenfalls Anhaltspunkte bieten. Und weiter: "Wissenschaftlich fundiertes Zahlenmaterial zu nicht in Deutschland versteuerten Zigaretten existiert nicht." Die vom Zoll sichergestellten Zigarettenmengen betrugen laut BMF 2013 147 Millionen Stück (2012: 146 Millionen). fasExtra

In der Region gibt es nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) im Bereich des verarbeitenden Gewerbes insgesamt 316 Betriebe mit mindestens 20 Beschäftigten. 167 davon haben 20 bis 50 Mitarbeiter, 149 Betriebe mehr als 50. An den Mitarbeiterzahlen gemessen findet man laut IHK größere Betriebe am ehesten im Ernährungsgewerbe, bei den KFZ-Zulieferern und in der Tabakverarbeitung. Am Trierer Standort des Tabakverarbeiters Heintz van Landewyck sind nach eigenen Angaben derzeit 230 Mitarbeiter beschäftigt. Der Umsatz der Heintz van Landewyck GmbH Deutschland belief sich 2013 auf 951,6 Millionen Euro. Hiervon wurden nach eigenen Angaben 850,4 Millionen Euro an Tabaksteuern abgeführt. Japan Tobacco International (JTI) hat in Trier derzeit circa 1600 Mitarbeiter im Werk sowie in der Forschung und Entwicklung. Der Umsatzerlös der JTI Germany GmbH betrug nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 1,282 Milliarden Euro. fas

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