Und dann war's dunkel und kalt

Trier · Immer mehr Haushalte sind von Energiearmut betroffen. Das stellt auch die Caritas Trier fest. Der Grund: Steigenden Strompreisen stehen geringere Einkommen gegenüber. Die Caritas hat sich an der bundesweiten Aktionswoche der Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) beteiligt. Die Hauptforderung: Die Versorgung mit Energie muss ein Menschenrecht sein.

Trier. Karin S. (Name geändert) ist alleinerziehend. Ihr Mann hat sie mit den drei schulpflichtigen Kindern sitzenlassen. Weil ihre Wohnung laut maßgeblicher Tabelle für eine angemessene Wohnungsgröße nun zu viele Quadratmeter hat, strich ihr das Jobcenter einen Teil des Arbeitslosengeldes.
Stromsperren drohen


Die Folge: Obwohl sie das Haushaltsgeld auf 400 Euro im Monat herunterschraubte, konnte sie die Stromrechnung nicht begleichen. Es wurde dunkel und kalt in ihrer Wohnung.
Ein anderer Fall, in dem Bernadette Holstein-Janetzki in der Sozialberatung der Caritas nach einer Lösung suchte: Mit seiner plötzlichen Erkrankung schrumpften die Einnahmen von Kai M. (Name geändert). Er konnte die Nachzahlung für die Nachtspeicherheizung von 3000 Euro nicht aufbringen, der Strom wurde gesperrt.
Harald Herres, Bereichsleiter der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe bei der Caritas in Trier, beobachtet eine Veränderung auf Seiten der Energieanbieter. "Sie gehen rigoroser vor, seitdem Strom ein offenes Angebot ist", sagt Herres. Der bundesweite Trend, dass immer mehr Menschen von Energieschulden und Stromsperren betroffen sind, sei auch in Trier zu beobachten. Mittlerweile suchten rund zehn Trierer monatlich die Beratungsstelle der Caritas wegen Energieschulden und drohender Sperre auf - mehr als in den Jahren zuvor. Als Ursache von Energiearmut sehen Herres und Holstein-Janetzki stetig steigende Stromkosten und ein stagnierendes, sogar rückläufiges Einkommensniveau. Und der Caritas-Mitarbeiter beobachtet einen Teufelskreis: Stromsparende Haushaltsgeräte kosten meist mehr als "Energiefresser" - mehr als Geringverdiener oder Empfänger von Sozialleistungen sich leisten können.
Hinzu kommt, dass sie häufig wegen billiger Kaltmieten in Wohnungen ziehen, die energetisch schlecht saniert sind. Herres\' Versuch, Caritas, Stadt, Verbraucherzentrale und Energieversorgungsunternehmen wie in Frankfurt an einem runden Tisch zu versammeln, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen, war gescheitert. "Wir sind für einen erneuten Versuch offen", sagt der Bereichsleiter. Alle müssten an einem Strang ziehen, um Energiearmut zu stoppen. Der Zugang zu Energie müsse als soziales Recht manifestiert werden, sagen die beiden Caritas-Mitarbeiter in Trier - wie ihre Kollegen der AG SBV.

Das Trierer Aktionsbündnis Aktiv gegen Armut wird am 14. Juli, um 10 Uhr, im Konferenzraum des Jobcenters Trier, Gneisenaustraße 38, gegründet.
Extra

Forderungen der AG SBV an Politik und Wirtschaft: Um die Energiewende sozial gerecht zu gestalten, muss die Politik gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, damit Kosten für Energie für Haushalte mit niedrigem Einkommen nicht zu einer immer größeren Belastung werden. 1) Gesetzliche Hürden für Energiesperren durch Energieversorgungsunternehmen deutlich erhöhen. 2) Die bis zu 800 000 Strom- und Gassperren pro Jahr sind nach Meinung der AG SBV ein sozialpolitischer Skandal in Deutschland. 3) Bei Sozialleistungen die tatsächlichen Energiebedarfe berücksichtigen. 4) Zuschüsse und Darlehen für Energieschulden gewähren. 5) Abwrackprämien für "Energiefresser" an einkommensarme Haushalte gewähren. 6) Energiesparberatung und Energieschuldnerberatung fördern. 7) Energetische Gebäudesanierung warmmietneutral gestalten. kat

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