Luxemburg-Pendler: "Politischer Poker auf Kosten der Grenzgänger"

Trier · Die von den Finanzbehörden angekündigte "Jagd" auf steuersündige Luxemburg-Pendler hat unter den Grenzgängern für helle Aufregung gesorgt. Aus welchen Gründen, sagt ein deutscher Manager im TV-Interview.

(sey) Mit dem 45-Jährigen, der aus verständlichen Gründen anonym bleiben möchte, sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz.

Haben Sie in den letzten Tagen Post vom Finanzamt bekommen?

Pendler: Nein.

Warten Sie auf ein solches Schreiben?

Pendler: Damit ist nach der Ankündigung des Trierer Finanzamtschefs zu rechnen. Und das ist ja das Kalkül: Man verweist auf einen spektakulären Betrugsfall, kündigt via Zeitung ein baldiges Schreiben des Finanzamtes an und verunsichert damit gezielt Tausende von Grenzgängern, stellt sie unter Generalverdacht. Das ist unerhört.

Was machen Sie, wenn der Brief eintrudelt?

Pendler: Mal schauen. Ich behalte mir auf jeden Fall vor, mich gegen unsinnige Bürokratie und Verdächtigungen zu wehren.

Was ist so schlimm an der Ankündigung des Trierer Finanzamtes, Luxemburg-Pendlern genau auf die Finger zu schauen?

Pendler: Schlimm ist, dass die Leute verunsichert werden und bislang nicht wissen, was sie machen sollen. Und wie ich höre, sind auch Arbeitgeber und Steuerberater mitunter ratlos.

Wie sind Sie auf die offenbar "neue Fahndungspraxis" aufmerksam geworden?

Pendler: Es geht nicht um eine "neue Fahndungspraxis", sondern darum, dass offenbar durch einen Betrugsfall die jahrzehntelange Praxis beim Doppelbesteuerungsabkommen von heute auf morgen einfach neu interpretiert wird. Darum gab und gibt es auch keinerlei geordnete Information. Jeder erzählt etwas anderes. Grenzgänger nach Luxemburg sind seit Jahren in Trier und Umgebung ein Massenphänomen. Die ganze Großregion profitiert vom Standort Luxemburg. Das wird nun infrage gestellt. Das legt den Verdacht nahe, dass hier auch politischer Druck aus Berlin ausgeübt wurde.

Hat Sie jemand über die Tücken des Doppelbesteuerungsabkommens aufgeklärt, als Sie in Luxemburg anfingen zu arbeiten?

Pendler: Nein, weder der Arbeitgeber noch Steuerberater, weder die luxemburgischen noch die deutschen Finanzbehörden. Eine klare Information, ein präzises Faltblatt habe ich bis heute nicht in die Hände bekommen.

Trauen Sie sich eine Prognose zu, wie viele Pendler von der Regelung betroffen sind?

Pendler: Prognosen kann sich bei diesem Thema keiner zutrauen. Betroffen sind auf jeden Fall Tausende, weil sie aktuell schlichtweg verunsichert sind.

Die Rechtsgrundlage, das Doppelbesteuerungsabkommen, ist schon 50 Jahre alt: Warum regen Sie sich so darüber auf?

Pendler: Erstens: weil das Gesetz über Jahrzehnte anders gelebt wurde. Und zweitens: Weil ein Gesetz aus den 50er Jahren der heutigen Arbeitswirklichkeit nicht gerecht werden kann. Früher gab es viel weniger internationale Unternehmen und damit kaum Dienstreisen oder mehrmonatige Projektarbeiten im Ausland, keine Heimarbeit mit Internet und Notebooks. Das ist im heutigen Europa Alltag.

Sie müssen wegen Ihres Jobs häufiger in Länder außerhalb Luxemburgs reisen. Haben Sie sich schon mal ausgerechnet, was Ihnen im Portemonnaie fehlen würde, wenn Sie dem deutschen Fiskus einen Obolus abgeben würden?

Pendler: Auch das ist leider derzeit nicht möglich. Allein bei der Frage, wie Dienstreisen gezählt werden sollen, gibt es keinerlei Klarheit. Wenn ich bis abends in Luxemburg arbeite und dann nach Berlin fliege - muss ich diesen Tag auch schon in Deutschland versteuern? Wie und vor allem warum sollen Kollegen bis zurück in das Jahr 2005 ihre Reisen Tag für Tag nachvollziehen? Wir reden vom vereinten Europa und sollen dennoch nun am besten stündlich unseren Aufenthaltsort erfassen. Wo ist da eigentlich die Politik, die doch sonst immer in den Sonntagsreden Europa und den Segen der Großregion feiert?

Hat Ihnen denn mittlerweile irgendjemand gesagt, wie Sie sich künftig korrekt verhalten müssen?

Pendler: Ich bin sicher, dass ich mich bislang korrekt verhalten habe - wie die meisten Grenzgänger. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Bislang ist es ein Stochern im Nebel. Und ein politischer Poker auf Kosten der Grenzgänger.

Zur Person

Unser anonymer Pendler ist 45 Jahre alt, verheiratet und lebt im Kreis Trier-Saarburg. Er ist Marketingmanager bei einer luxemburgischen Dienstleistungsfirma.

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