Das war's: Bei Schlecker ist alles verramscht

Trier/Ehingen · Für 20 Cent hat Schlecker gestern bundesweit in seinen 2800 Schleckermärkten die letzten Artikel verramscht. In Trier-Zewen war das für die Mitarbeiterinnen ein besonders schwerer Tag.

Trier/Ehingen. Im Zewener Schleckermarkt ist richtig was los. Die Kunden geben sich im Minutentakt die Türklinke in die Hand - nicht um ein letztes Schnäppchen für 20 Cent zu ergattern, sondern um sich von den Mitarbeitern und ihrem Markt zu verabschieden. Elke Hoffmann vermisst die Einkaufsmöglichkeit schon am letzten Tag. "Für uns ältere Menschen ohne Auto war der Markt hier schon sehr wichtig", sagt sie. Auch Datscha Slavomira ist enttäuscht, dass Schlecker zumacht. "Hier habe ich immer alles gefunden, was ich so gebraucht habe. Ich hoffe, dass die Frauen schnell eine neue Arbeit finden."
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Doch mit der neuen Arbeit ist es für viele Schlecker-Mitarbeiterinnen nicht so einfach. "Es gibt schon Angebote, doch finanziell sind viele gar nicht möglich", erzählt eine Mitarbeiterin, die am letzten Tag noch einmal die Kolleginnen besucht hat.
Ein 400-Euro-Job hier, ein Teilzeitvertrag da oder auch eine 40-Stunden-Anstellung - aber nicht zum Tariflohn, den Schlecker bezahlt hat. "Mit 1300 Euro brutto ist es schwierig, rund zu kommen", sagt eine ehemalige Mitarbeiterin. Und auch für die Trierer Schlecker-Betriebsratschefin Birgit Koloß sind die letzten Tage besonders schlimm: "Die Stimmung ist total am Boden. Das ist nur noch Leichenfledderei", schimpft sie auf den Ausverkauf.
26 Jahre war sie bei Schlecker, hat Höhen und Tiefen ausgefochten. "1996 haben wir unsere Betriebsräte durchgeboxt und für fairen Lohn gegen Anton Schlecker gekämpft und gewonnen", sagt sie mit Wehmut.
Auch die Gewerkschaft Verdi schaut mit Sorge auf die Entwicklung. "Es zeigt sich, dass viele Frauen nur 400-Euro-Jobs oder unterbezahlte Jobs von sechs oder 7,50 Euro angeboten bekommen", sagt der Verdi-Vertreter Jürgen Rinke-Oster. Die Schlecker-Frauen hatten zuletzt aufgrund ihrer langjährigen qualifizierten Beschäftigung als Filialleitung 18 Euro und im Verkauf 13,61 Euro die Stunde erhalten. "Da sind das nicht haltbare Zustände, wenn sie heute für über zehn Euro weniger die Stunde arbeiten sollen", sagt Rinke-Oster.
Deshalb fordere der Verdi-Bezirksfachbereichsvorstand Handel im nördlichen Rheinland-Pfalz einen Mindestlohn im Einzelhandel.
Zwischendurch kommt ein Polizist in die Filiale: "Haben sie noch Tempos?" "Nein hier gibt\'s nichts mehr", sagt eine Verkäuferin. Von den einst 6000 Artikeln sind noch vier, fünf auf der Resterampe: Kerzen, ein paar Karten und einige Zahnbürstenaufsätze. Das war\'s - auch mit Schlecker.Extra

Die 141 rheinland-pfälzischen Schlecker-Filialen haben gestern endgültig dichtgemacht. Die rot-grüne Landesregierung hatte kürzlich ein Hilfspaket in Höhe von 400 000 Euro und einen Runden Tisch für die gekündigten Arbeitnehmer angekündigt. Die meisten Betroffenen sind Frauen. Die Schlecker-Pleite hat am Ende bundesweit knapp 25 000 Menschen den Arbeitsplatz gekostet. Indes hat Anton Schlecker einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge nur wenige Monate vor der Insolvenz seiner Drogeriekette große Firmengrundstücke an seine Kinder übertragen. Vor drei Jahren soll er zudem das Familienanwesen seiner Ehefrau geschenkt haben, berichtete das Blatt am Mittwoch. "Sämtliche Übertragungen, vor allem die der vergangenen vier Jahre, werden sehr genau überprüft", sagte ein Sprecher. "Die Prüfungen sind noch nicht endgültig abgeschlossen." Das Geld aus einer möglichen Rückübertragung würde in die Insolvenzmasse fließen. Dem Bericht zufolge übertrug Anton Schlecker seinem Sohn Lars Schlecker am 7. September 2011 ein 7000 Quadratmeter großes Firmengrundstück, zuvor hatte seine Schwester demnach ein gleichgroßes Grundstück erhalten; dieser Vertrag sei bereits 2008 geschlossen worden. dpaExtra

Nach TV-Infos haben sich nach den beiden Entlassungswellen bei Schlecker inzwischen 90 Frauen in der Region arbeitslos gemeldet. 65 sind noch zu vermitteln. "Einige sind krankgeschrieben, in Rente oder haben einen Job gefunden", sagt Thomas Mares von der Arbeitsagentur Trier. Bei den Arbeitsgerichten in Rheinland-Pfalz sind heute insgesamt 258 Kündigungsschutzklagen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der insolventen Drogeriekette Schlecker anhängig, die sich gegen die Kündigung durch den Insolvenzverwalter gerichtlich wehren.hw

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