"Die Chefs lassen uns hier einfach hängen"

Trier · Seit Wochen leben die 40 000 Schlecker-Mitarbeiter bundesweit zwischen Hoffen und Bangen. Etwa 11 000 verlieren ihren Job. Im Tarifbereich Trier herrscht seit gestern Gewissheit. Auf einer Betriebsversammlung haben 35 Frauen erfahren, dass es sie trifft.

Trier. Gewerkschaftssekretärin Maria Rinke ringt mit den Worten. "Es ist skandalös, dass der Insolvenzverwalter die Menschen so behandelt, wo doch schon am Donnerstag die Informationsveranstaltungen für die Transfergesellschaft laufen müssen (siehe Extra)."
In dem Nebenraum im Restaurant Postillion haben gerade die Schlecker-Mitarbeiterinnen im sogenannten Tarifbereich Trier erfahren, wer auf der Kündigungsliste des Insolvenzverwalters steht. Viele von den Beteiligten haben Tränen in den Augen, einige sitzen verzweifelt und ruhig in einer Ecke, andere stützen sich gegenseitig oder lassen ihrem Frust freien Lauf.
Führungskräfte bleiben fern


Betriebsrat und Gewerkschaft mussten den Mitarbeitern die traurige Wahrheit überbringen. Führungskräfte oder gar ein Vertreter des Insolvenzverwalters tauchen nicht vor Ort auf. "Wir müssen nun einfach die Leute informieren, weil es einen enormen Zeitdruck gibt. Wer die Chance nutzen möchte, in eine Transfergesellschaft zu wechseln, muss am Donnerstag an den Infoveranstaltungen teilnehmen", sagt Maria Rinke. Bisher hätte der Insolvenzverwalter nicht einmal ein entsprechendes Schreiben an die Mitarbeiter geschickt, die auf der Kündigungsliste stehen. In Trier hat sich der Betriebsrat deshalb entschlossen, die Leute darauf vorzubereiten. Betriebsratsvorsitzende Birgit Koloß fühlt sich vom Unternehmen im Stich gelassen. "Schon bei der Schließung der Filialen ist kein Chef aufgetaucht, keiner von den Vorgesetzten ist telefonisch zu erreichen." Eine Kündigung oder die Weiterbeschäftigung in einer Transfergesellschaft ist für viele der Beteiligten ein hartes Los.
Frust macht sich breit


"Viele Mitarbeiterinnen sind auf die Arbeit angewiesen" , sagt Marlies Ausmeier, Gesamtbetriebsratsmitglied. Seit 22 Jahren arbeitet sie bei der Drogeriekette, im Mai hätte die passive Phase ihrer Altersteilzeit begonnen. Doch mit der Insolvenz ist das alles nur noch Makulatur. Im Vergleich zu ihren Kolleginnen beklagt sie ihre Lage nicht. "Viele von meinen Kolleginnen sind auf ihren Job angewiesen, sind alleinerziehend oder tragen die Hauptlast beim Familieneinkommen."
Während in Trier Betriebsrat und Verdi gemeinsam in einer Versammlung die Mitarbeiter über die schwierige Situation informiert haben, sind in anderen Tarifbereichen die Vertreter eigene Weg gegangen.
"In einem Bereich wollte die Betriebsratsvorsitzende die Mitarbeiter in persönlichen Gesprächen informieren. Am ersten Abend hat sie einen Nervenzusammenbruch erlitten." Auch im Bereich Trier (noch acht Filialen/etwa 40 Mitarbeiter) lässt kaum jemand ein gutes Haar an Insolvenzverwalter und Vorgesetzten. "Die lassen uns hängen und die Drecksarbeit alleine machen", sagt ein junge Frau und erntet nur Kopfnicken.Extra

Für die gekündigten Schlecker-Mitarbeiter drängt die Zeit: Verabreden sich am Donnerstag die Länder, dass es eine Transfergesellschaft für die etwa 11 000 Schlecker-Mitarbeiter gibt, stehen diejenigen, die dieses Angebot annehmen wollen, mächtig unter Druck. Schon am gleichen Tag, Donnerstag, 22. März, gibt es in allen Regionen Informationsveranstaltungen zu den Modalitäten in einer Transfergesellschaft. Bereits am Freitag, 23. März, beginnt das sogenannte Profiling. Dabei geht es darum, vor Eintritt in die Transfergesellschaft, den individuellen Qualifizierungsbedarf und die Arbeitsmarktchancen der betroffenen Menschen festzustellen. Bereits am Dienstag, 27. März, endet die Entscheidungsfrist. Vorteile sind, es besteht weiter ein Arbeitsverhältnis und das Transferkurzarbeitergeld macht 80 Prozent des letzten Nettolohns aus und damit mehr als das Arbeitslosengeld. Am Mittwoch, 28. März, gehen die Kündigungen an die Mitarbeiter raus, die auf der Kündigungsliste stehen, sich aber nicht für eine Transfergesellschaft entschieden haben. hw

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