Kammern wollen Jobs für Flüchtlinge

Trier · Rund 4000 Stellen in Handel, Industrie und Handwerk, die derzeit in der Region Trier nicht mit Fachkräften besetzt werden können, dazu 750 offene Lehrstellen, für die Auszubildende fehlen: Die Wirtschaftskammern der Region schlagen Alarm und fordern in ihrem neuen Positionspapier eine stärkere Einbindung von Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt.

 Fordern eine Abkehr vom Kirchturmdenken für mehr Wirtschaftswachstum: Peter Adrian, Präsident der Industrie- und Handelskammer Trier, Manfred Bitter, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Trier, Handwerkskammerpräsident Rudi Müller und Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier. TV-Foto: Sabine Schwadorf

Fordern eine Abkehr vom Kirchturmdenken für mehr Wirtschaftswachstum: Peter Adrian, Präsident der Industrie- und Handelskammer Trier, Manfred Bitter, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Trier, Handwerkskammerpräsident Rudi Müller und Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der IHK Trier. TV-Foto: Sabine Schwadorf

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"Vieles funktioniert nicht!" Manfred Bitter, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HWK) Trier bringt es auf den Punkt. Der Wirtschaft fehle es an Fachkräften, und in den Aufnahmestellen für Asylbegehrende etwa in Trier tummelten sich Hunterte Menschen, die fähig und willens seien, in Deutschland eine Arbeit aufzunehmen. Mehr als 4000 offene Stellen und weitere 750 offene Ausbildungsstellen in Eifel, Mosel und Hunsrück: "Der Arbeitsmarkt und der Fachkräftemangel sind die zentrale Herausforderung der Wirtschaft in den kommenden Jahren", bestätigt Handwerkskammerpräsident Rudi Müller.
Zusammen mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) hat die Handwerkskammer nun ihr drittes Positionspapier seit 2003 vorgelegt und darin die zentralen Forderungen an die Politik, die Kommunen und die Unternehmen zusammengefasst. Zwölf zentrale Punkte sind darin zusammengefasst, "um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern und die Region auf den internationalen Wettbewerb vorzubereiten", sagt IHK-Präsident Peter Adrian. Denn die Region hinkt - trotz einer niedrigen Arbeitslosigkeit, zahlreicher Aufträge aus Luxemburg und einer steten Aufholjagd - bei der Wirtschaftskraft hinterher. Im Vergleich zum Landesdurchschnitt liegt der Wert elf Prozent niedriger, im Vergleich zum Bundeswert gar 14 Prozent. Folgende Forderungen stellen die Kammern an Politik und Kommunen:

Arbeitsmarkt: Ob duale Ausbildung auf hohem Niveau, betriebliches Gesundheitsmanagement oder spezielle Personalagenturen - die Kammern fordern von ihren rund 36 000 Betrieben, mehr Wert auf Image und Qualität zu legen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren und Fachkräfte anzulocken. So genannte Welcome-Center für ausländische Fachkräfte aus Europa, aber auch die Integration von Flüchtlingen sollen dem Arbeitsmarkt zu mehr Schwung verhelfen. "Wir Handwerkskammern im Land fordern ein Einwanderungsgesetz, um mehr rechtliche Klarheit für unsere Betriebe zu haben", sagt HWK-Hauptgeschäftsführer Bitter. Schon im Juni gebe es in der Stadt Trier einen Runden Tisch Migration. "Da benötigen wir eine Gewähr dafür, dass junge Leute eine Ausbildung machen und auch beenden können", fordert er.
Präsident Müller ergänzt: "Neben der Integration brauchen wir auch eine Aufwertung der dualen Ausbildung zum Premiumprodukt", sagt er und fordert neben einer gezielten Berufsorientierung auch eine bessere Ausstattung der Berufsschulen.

Infrastruktur: Als einen wichtigen Faktor für wirtschaftlichen Fortschritt in der Region Trier werten die Kammern die Infrastruktur - und hier spielt neben dem Dauerbrenner Straßenverkehr zunehmend der flächendeckende Breitbandausbau eine wichtige Rolle. "Leider wird der Breitbandausbau für Gewerbegebiete und Unternehmen derzeit nicht öffentlich gefördert", bemängelt IHK-Präsident Adrian und fordert die Landesregierung zum Handeln auf. Zumal, da der fehlende Breitbandausbau laut einer Untersuchung mit zu den größten Entwicklungshemmern für Betriebe in der Region zähle.

Handel und Tourismus: Angesichts eines Umsatzes im regionalen Einzelhandel von drei Milliarden Euro im Jahr sowie 14 000 Beschäftigten gehört die Branche zu den größten Arbeitgebern. Allerdings gibt es kein gemeinsames Konzept. "Da gibt es noch zu viel Kirchturmdenken", bemängelt IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Glockauer und verweist auf einen neuen regionalen Dialog mit den Ober- und Mittelzentren, der im Juni starten soll. "Gemeinsam sind wir stärker", sagt er mit Blick darauf, "dass wir selbst die Standortbedingungen für den Handel in der Hand haben". Im Tourismus stellen sich die Kammern klar gegen eine Fremdenverkehrsabgabe.

Zusammenarbeit und Verwaltung: Mit der Initiative Region Trier (IRT) habe die Region bereits eine Koordinierungsstelle, mit der sie auch einstimmig etwa bei der Landesregierung vorspreche und Forderungen wie die Integration der Flüchtlinge in der Region in den Arbeitsmarkt formuliere, sagt HWK-Hauptgeschäftsführer Bitter: "Wir brauchen mehr Koordination, um effizienter zu arbeiten." Ob regionale Planungsgemeinschaft, Regionalinitiativen oder die neue Wissenschaftsallianz: "Bei all diesen Gremien sind die Mitglieder zur Zusammenarbeit verpflichtet, was wir sehr begrüßen." Ein Stichwort, das Bitter auch beim Thema mittelstandsfreundliche Verantwortung aufgreift. "Es wird Zeit, dass die Betriebe als Schlüsselkunden für die Verwaltungen wahrgenommen werden", sagt er. Er fordert - etwa in den Kommunen - Lotsen, die Existenzgründern bei Verträgen weiterhelfen. Schließlich schnitten die Verwaltungen in der Region bei den Betrieben laut einer Umfrage nicht sonderlich gut ab: Für die Schnelligkeit bei der Verarbeitung von Anträgen und der Unternehmensfreundlichkeit in den Verwaltungen gab es jeweils nur die Note drei minus. Bitter: "Das kann nicht so bleiben."Extra

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat sich erneut dafür starkgemacht, mehr Asylbewerber in den deutschen und speziell in den rheinland-pfälzischen Arbeitsmarkt zu integrieren. "Ich trete dafür ein, dass Flüchtlinge, die hier eine Ausbildung machen oder gemacht haben, auch in unserem Land bleiben dürfen", sagte sie im Gespräch mit der Rhein-Zeitung. Ihrer Ansicht nach müssen die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend geändert werden. Die rheinland-pfälzische Regierungschefin weiter: "Ich engagiere mich dafür, dass mehr Flüchtlinge in den Ausbildungsmarkt integriert werden." DB

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