Adieu, Kolpinghaus: Die Ära einer Wittlicher Institution endet mit dem Verkauf

Wittlich · Wer weiß heute noch, was ein „Gesäälenhaus“ ist? Es ist ein Angebot für wandernde Handwerker, die eine Unterkunft auf der Durchreise suchen. Die bot ihnen früher das Kolpinghaus in Wittlich. Später nutzen viele Vereine das Gebäude wegen seines Veranstaltungssaals. Außerdem war es lange Jahre an Restaurants verpachtet. All das war einmal. Jetzt wird das Kolpinghaus verkauft.

Der Herr führt die Dame, sie gleiten übers Parkett: Seit Jahren wird im Kolpinghaus unter Leitung von Heinz-Georg Exler getanzt. Der Mietvertrag läuft noch ein Jahr. Dann ist Schluss. Der 60-Jährige hätte gerne weitergemacht. Aber das Kolpinghaus und Nachbargebäude werden verkauft, zu Wohnungen umgebaut. "Das trifft mich hart. Ich hätte bis zur Rente weitergemacht", so Exler. "Auch andere, die vom Ende der Ära Kolpinghaus gehört haben, hatten teilweise Tränen in den Augen.

Das Haus hat für die Wittlicher viel bedeutet." Stimmt. Es liegt zwischen dem Einkaufszentrum und Burgtürmchen und hat Stadtgeschichte mitgeschrieben. Hier ist in den 1980er Jahren Adi Kaspari im Männerballett über die Bühne geschwebt, lernten Kinder das Drachenbauen, outete sich die frühere Landrätin Beate Läsch-Weber beim Mundartabend als Plattrednerin, gab es märchenhaftes Kindertheater und St. Martin höchstpersönlich hat hier Brezeln verteilt, traf sich die Vereinigung Deutscher Rutengänger ...und so weiter und …nun nicht mehr so fort.

Franz-Josef Mertes von der Kolpingsfamilie hat sich seit 20 Jahren um die Immobilie gekümmert und zuletzt Reinfälle mit Pächtern aus der Gastronomie erlebt. Jetzt hätte man viel Geld investieren müssen. Da hat man beschlossen, alles zu verkaufen. Es geht um 800 Quadratmeter, denn auch das Haus daneben, dass die Kolpingsfamilie 2003 dazu erworben hat, wird verkauft. Auch Mertes bedauert das Ende der Ära, auch wenn die Betreuung der Immobilie viel Arbeit und auch Ärger mit sich brachte: Im Kolpinghaus haben viele Menschen schöne Stunden erlebt.

Extra

Adolph Kolping (1813 bis 1865) war zunächst Schuhmacher, machte sein Abitur nach, studierte dann und wurde katholischer Priester. Der Sozialreformer hat auf die Nöte seiner Zeit reagiert und setzte sich für wandernde Gesellen ein und gilt als Gründer des heutigen internationalen Kolpingwerkes. Das ist ein katholischer Sozialverband mit Sitz in Köln. Es unterhält unter anderem Häuser, die Unterkünfte bieten. Kolpingwerk und die Kolpingsfamilien sind in der Jugend- und Erwachsenenbildung aktiv und unterstützen humanitäre Projekte. Die Wittlicher Kolpingsfamilie feierte im Jahr 2005 ihr 150 jähriges Bestehen. Noch zu Lebzeiten von Adolph Kolping wurde 1855 im damals nur 2900 Einwohner zählenden Wittlich der katholische Gesellenverein gegründet.
Heute zählt man noch 115 Mitglieder. Zu den Veranstaltungen und Treffen sind auch Nicht-Mitglieder willkommen. Früher war Kolping ein reiner Männer?verein, ab 1966 durften Frauen Mitglied werden. In Wittlich traten die ersten Frauen 1976 bei und engagieren sich seither auf vielen Ebenen. Jetzt zur Weihnachtszeit mit ihrem traditionellen Plätzchenverkauf für den guten Zweck. Kontakt: Thomas Kaut, Telefon: 06571/9009683. Weiterhin gibt es eine Kolpingfamilie Wengerohr mit 45 Mitgliedern, Kontakt: Herbert Gierenz, Telefon 06571/3250.

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