Als der Hase ein Kaninchen war

WITTLICH. Gesegneter Buchs von Palmsonntag, Hasen-Nester aus Tonpapier, Osterglockenblüten, die nie verwelken und Eier: Den Osterschmuck für 115 Bewohner des Seniorenheims St. Wendelinus basteln einige Damen selbst. Dabei erzählen sie vom Osterfest, zum Teil noch lang vor dem Krieg.

 Hübscher Osterschmuck: Alles selbst gebastelt hat eine Damenrunde fürs Fest. TV-Foto: Sonja Sünnen

Hübscher Osterschmuck: Alles selbst gebastelt hat eine Damenrunde fürs Fest. TV-Foto: Sonja Sünnen

Schnipp: Ein Buchsbaum-Ästchen für den Palmzweig wird in Form gebracht. Schnapp: Aus gelbem Papier wird eine Osterglocke. Bewohnerinnen und Besucherinnen basteln in St. Wendelinus Schmuck fürs Fest. Oster-Dekoration? Das gab es in ihrer Kindheit nicht. Aber eine Messe in Latein, natürlich auf nüchternen Magen. "Das feierliche Amt, das habe ich geliebt", sagt eine Dame. Sie ist eine der Jüngsten am Tisch mit immerhin über 90-Jährigen und hat wohl gute Zeiten erlebt: "Es gab festliches Essen. Und sogar Süßigkeiten! Aber ich habe ja nix Süßes gegessen und alles meiner Schwester gegeben. Später sagte sie mir: ,Du bist schuld, dass ich so dick bin!´" Frauen backen Mäuschen, Männer tragen Himmel

Ein Luxus, den andere nicht kennen. Wer es gut hatte, fand auch Mini-Zuckereier. Ansonsten ging man auf Hühnereiersuche. "Meine Eier waren immer braun, mit Kaffeesatz gefärbt", sagt Christine Lautwein. "Als erstes habe ich immer in der Buchsbaumhecke gesucht. Und meine Mutter hat einen sehr schönen Rollbraten gemacht und gebacken. Jetzt backt meine Tochter für mich." Die gekochten Eier waren das Glück der Kinder. "Einmal hat der Hund, unser Dackel Strobbi, sie zuerst gefunden und gefressen. Da hat mein Bruder geheult", erinnert sich Elisabeth Kaiser. "Ja , es gab ja nur das Eiersuchen, sonst war nix. Ostern war nicht so toll wie Weihnachten", meint Änni Schneider. "Und die Mutter musste lange sammeln, damit für Ostern Eier da waren. Sonst wurden die, die übrig waren, ja verkauft. Was hat damals ein Ei gekostet? Keine zehn Pfennig!", wirft eine Frau ein. Christine Lautwein weiß noch gut, wie die Sache mit dem Osterhasen war: "Meine Mutter hat immer im Stall die Schweine gefüttert und dann laut gerufen: ,Weilen geh' fott!' und dann ,Oh, Kinner! Der Osterhase war da!'" Das musste stimmen, denn den hatte sie ja vorher vertrieben. "Wir hatten Kaninchen. Die waren alle echt. Dass die nicht die Eier bringen, das haben wir gewusst", meint Elfriede Simon. Eine andere Frau bemerkt: "Man hat ja alles geglaubt, was die Erwachsenen gesagt haben. Auch an den Osterhasen. Das wurde nicht hinterfragt." Geglaubt hat man auch an die Kraft des gesegneten Palmzweigs. "Wenn ein Gewitter kam, wurden Palmzweige in den Ofen gesteckt und verbrannt", erinnert sich eine, "und die Palmzweige hingen ja überall: einer im Haus, einer im Stall, im Garten, im Speicher, auf dem Feld, auf dem Friedhof, später auch im Auto."Teufelchen backen zum Osterfeuer

Noch ein altes Ritual aus der Vorosterzeit weiß Elisabeth Pizonka: "Die Jungen haben ein großes Strohkreuz gebunden und angezündet. Die Frau, die zuletzt geheiratet hatte, musste ihnen immer Deiwelscha, Teufelchen, also sowas wie Mäuschen backen. Das war viel Arbeit! Das waren ja Körbe voll! Ich musste drei Jahre backen. Keine hatte mehr geheiratet." "Das ist ja wie an Fronleichnam. Wer zuletzt geheiratet hat, muss den Himmel mittragen. Als mein Mann ihn mehrmals tragen musste, hat er gesagt, ,Mensch, heiratet denn kein Mensch mehr!´ Heute macht das ja die Feuerwehr", sagt eine Wittlicherin. Apropos Feuer: Die Flamme der Osterkerze in der Kirche wurde mit zwei speziellen Steinen angeschlagen, weiß die Küsterstochter Irmgard Thiel. Das war allen unbekannt. Und einer Dame, die ihr Leben fern vom Land verbracht hat, sind alle Oster-Erinnerungen fremd. Sie sagt: "Hier läuft ja der Osterhase rein und raus! Das ist für mich alles neu." Jetzt trägt sie zur Tradition bei. Sie schneidet Palmzweige und wird ein Hasennest bekommen. Frohe Ostern!

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