Musik Auf Wiederhören auf dem Lott-Festival!

Raversbeuren · Mehr als Musik und Party: Die nicht-kommerzielle Lott bleibt ein Phänomen. Versuch einer Annäherung.

Musik: Auf Wiederhören auf dem Lott-Festival!
Foto: Christoph Strouvelle

Nach "Kommst Du zur Lott?", heißt nun die Frage: "Warst Du auf der Lott?" Tausende wissen, was das heißt, aber viele eben nicht. Wen's interessiert: Nachstehend der Versuch einer Annäherung an das Phänomen auf dem Hunsbuckel ganz nah am Moseltal, das am Wochenende 40 Jahre feierte (der TV berichtete).

Um was geht's: Die Raver zieht's nach Kastellaun auf die ehemalige Raketenbasis, die feiernden Fans ganz großer Gruppen zu Rock am Ring, also zur Rennstrecke! Militär und schnelle PS-Boliden? Kein Ort für die Lott. Wie das schon klingt! Nach einem Flurnamen für eine buckelige Wiese sozusagen. Eben. Eigensinnig, irgendwie eindeutig ohne Schnickschnack und gut zu merken. Lott ist auch, was man mit Open Air verallgemeinert: Tage voller Musik mit Freunden erleben, provisorisch übernachten, draußen zusammen das Leben feiern.

Wetter: Die Ehrenamtlichen tun, was sie können, um ein nicht-kommerzielles Festival zu bieten. Das Wetter können sie nicht organisieren. Deshalb versuchen sie, es auszutricksen: Ob es regnet oder nicht. Es gibt ein Schlammloch. Direkt neben der Einlasskontrolle. Und es gibt Menschen, die wälzen sich darin wie die Schweine. Das macht ihnen Spaß, tut keinem weh und sorgt immer für großes Hallo!

Zeitgeist I: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zur errichten": Das Zitat des damaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR, Walter Ulbricht, aus dem Jahr 1961, - die Folgen sind bekannt -, wird ironisch verfremdet am erstmals angebrachten Zaun ums Gelände angebracht. Als sei es den Organisatoren peinlich, dass sie ihre friedlichen Gäste so empfangen müssen. Aber Sicherheit geht in heutigen Zeiten auch bei der Lott vor.

Zeitgeist II: 40 Jahre Lott: Da wird auch daran erinnert, dass damals eine Polizei-Hundertschaft die Festivalpremiere sprengen sollte, weil das Ganze nicht offiziell genehmigt war. Der Zusammenhalt vieler örtlicher Vereine, die dann für bürokratische Korrektheit sorgten, rettete die Premiere. Doch Misstrauen blieb manchem. Die Vorurteile: Da wird zu viel gesoffen, das sind nur Drogenabhängige, da werden Orgien gefeiert. Riesen Gefahr für die Moral und so. Ach so. Fantasie muss man haben, aber solche?

Kleiderordnung: Gibt es nicht. Der eine trägt die sorgsam bestickte Rockerkutte auf, der andere normal Jeans und T-Shirt - auch mit Botschaften bedruckt. Mädchen haben Blumenkränzchen im Haar, bei Männern sind Käppi und Hut beliebt, Frauen verabschieden den Sommer leichter bekleidet. Standard-Accessoires sind Rucksack, Decke, Sonnenbrille. Korrekten Festivalschnickschnack gibt's zu kaufen.

Verpflegung: Kein Energiedrinkstand, keine Marken-Werbung. Es gibt dafür tolle Moselweine, Wild, Fritten oder afghanische Suppe.

Sanitär: Lott hin oder her: Das kennt jeder Festivalbesucher und ist dem klassischen Konzertgast in stehenden Gebäuden fremd: Die Dixie-Kloensembles, in die niemand wirklich rein will, aber muss. Die Begegnungen davor sind speziell. Wo sonst wird Männern etwa im Vorbeigehen aus der Warteschlange zugerufen: "Ich will ein Kind von dir!" - und gelacht.

Apropos Kinder: Auch die kommen zur Lott, meist mit Ohrschützern, wie es sich gehört. Einige haben den super Taschengeldjob: Sie sammeln Leergut. Da bleibt kein Glas, kein Plastik liegen. Sauber!

Musik: Zack, zack! Die Auftritte der Bands folgen Schlag auf Schlag, so ist der Mix perfekt. Schön, dass viel unkommerzielle Shows geboten werden. Die Musiker bedanken sich, lassen sich wie The Undercover Hippy mit Publikum fotografieren, tanzen mit und machen ihren Fans Komplimente. "Lott-Love! Was für ein wunderschönes Festival!" findet beispielsweise Kapelle Petra. Die Sängerin Wallis Bird, für viele das Ereignis schon am Freitag, rasierte sich zum Lott-Geburtstag und zu ihrem 750. Auftritt spontan eine Glatze. Komplett andere Stimmung auf der Alternative: der Waldbühne. Chillige Clubatmosphäre, junges, verzaubertes Publikum ganz nah an der Musik. Schöner rappen im Wald. Aber Orgien?

Auf Wiedersehen, aufs Wiederhören!

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