Auf sein Konto gehen 4000 Scheidungen

Wittlich · Der Direktor des Amtsgerichts Wittlich, Peter Sauer, hängt am kommenden Freitag seine Robe für immer in den Schrank. Der Abschied fällt ihm nach mehr als 40 Dienstjahren schwer.

 Abschied vom Gericht: Peter Sauer hat am kommenden Freitag seinen letzten Arbeitstag. TV-Foto: Klaus Kimmling

Abschied vom Gericht: Peter Sauer hat am kommenden Freitag seinen letzten Arbeitstag. TV-Foto: Klaus Kimmling



Peter Sauer macht seine Arbeit auch nach mehr als vier Jahrzehnten noch mit Freude. Im Gerichtssaal ist er in seinem Element. "Wir haben ein schönes Gericht", sagt er. Gerne erzählt er von den vielen Renovierungsarbeiten, durch die das Gericht zwischen 1998 und 2002 Amtszeit modernisiert wurde.
In diesem Saal hat er bei seiner Tätigkeit als Familienrichter schon viele Ehen geschieden. Um die 4000 müssen es sein, erzählt Sauer. An seinem früheren Arbeitsort, dem Amtsgericht in Hermeskeil, seien es um die 80 pro Jahr gewesen, in Wittlich um die 150. Manch einer habe auch mehrfach vor ihm gestanden.
"Ein Richter ist auch ein Mediator", sagt Sauer. Bei einer Scheidung gehe es für ihn nicht um die Vergangenheit der Eheleute, sondern um die Vorbereitung der Zukunft der Familie. Da müsse gemeinsam überlegt werden, wie das Sorgerecht für die Kinder aufgeteilt werde, welche Unterhaltsansprüche bestehen, wer das Auto bekomme und wie die Güter aufgeteilt werden.
Schwierig werde es bei Fällen, bei denen es um Missbrauch oder Vernachlässigung von Kindern gehe.
Da sei es für ihn immer wichtig gewesen, die Dinge nicht nur vom Schreibtisch aus zu beurteilen. "Ich gehe auch nach draußen", sagt Sauer. Auf Zeugenaussagen allein wolle er sich nicht verlassen, weil die oft ungenau seien. So tauche er schon mal unangemeldet bei den Familien auf, um sich die Verhältnisse vor Ort anzuschauen.
Bei einer Familie, die ihm Wald in einem Zelt lebte, habe er wider Erwarten festgestellt, dass die Kinder dort gut versorgt waren. Bei anderen Fällen habe er dagegen auch Schlimmes erlebt. Kinder, die bei der alkoholkranken Mutter leben oder der Vater, der seine eigene Tochter missbraucht und sie zusätzlich anderen Männern anbietet, sind nur zwei Beispiele aus Sauers langem Berufsleben. Eine weitere Sparte, die zu Sauers Aufgabengebiet gehört, sind Betreuungsfragen. Dabei geht es um minderjährige Kinder, die nicht von den Eltern versorgt werden können oder auch um ältere Menschen.
Nicht immer sind die Geschichten, die hinter diesen Fällen stehen, für den erfahrenen Richter leicht zu verkraften. "Einiges nehme ich auch mit nach Hause", gesteht Sauer. Dann sei der Rückhalt aus der Familie wichtig. Sauer ist seit 1969 verheiratet und hat fünf Kinder im Alter zwischen 23 und 41 Jahren sowie sechs Enkelkinder.
Als Amtsgerichtsdirektor war Sauer auch Personalleiter. Als er vor 22 Jahren in Wittlich anfing, arbeiteten 40 Menschen beim Wittlicher Gericht, heute sind es 70. Die Zahl der Richter wurde von sechs auf neun erhöht. Sauer ist nicht nur Direktor des Amtsgerichts Wittlich, sondern auch Vorsitzender Richter am Landgericht Trier. Als solcher kümmert er sich um Belange der Strafgefangenen der JVA Wittlich. Auch das Handelsregister für die Region Trier ist in Wittlich angesiedelt.
Noch kann Sauer sich nicht richtig vorstellen, wie es sein wird, wenn er keine berufliche Verantwortung mehr trägt. "Ich bin keinen Tag mit Groll ins Gericht gegangen", sagt er. Er habe kein Zentimetermaß, mit dem er die letzten Tage abzählt.
Doch er freue sich, dass er dann mehr Zeit für Familie, Sport und Hobbys hat. Dazu zählt auch das Reisen. Die Pyramiden in Ägypten möchte er zusammen mit seiner Frau gerne besuchen.
Die erste Fahrt als Ruheständler führt aber erst einmal nach Bielefeld. Dort wird der jüngste Enkel von Peter Sauer getauft.
Ab 1. Juni übernimmt Ingrid Luther, die bisher Sauers ständige Vertretung war, die Leitung des Amtsgerichtes.

EXTRA VITA



Peter Sauer wurde am 13. Mai 1946 in Prüm geboren, Abitur 1966 am Regino-Gymnasium in Prüm, 1966 bis 1970 Studium der Rechtswissenschaften, 1971 bis 1973 Referendarzeit in Trier und Konz, 1973 erste Richterstelle beim Landgericht Koblenz, ab 1974 Richter beim Landgericht Trier, 1975 Teilabordnung zum Amtsgericht Hermeskeil, 1976 Ernennung zum Richter auf Lebenszeit und zugleich Direktor des Amtsgerichts Hermeskeil, Mitwirkung als Arbeitsgemeinschaftsleiter bei der Juristenausbildung in Trier, Ausbildung der Rechtsreferendare im Familienrecht, seit Mai 1989 Direktor des Amtsgerichts Wittlich, Familienrichter mit etwa 150 Ehescheidungen pro Jahr, Rechtskundeunterricht an der Realschule Wittlich, 2009 Vorsitzender der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier in Wittlich, 2011 40jähriges Dienstjubiläum im Januar, letzter Arbeitstag ist der 15. April, offizielles Dienstende am 31. Mai. noj

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