Aufmerksam und betroffen

150 Menschen fanden den Weg ins Bürgerhaus Osann, um mehr über das jüdische Leben in und um Osann zu erfahren. Höhepunkt war die Präsentation der Fragmente der Osanner Thora. Der Abend wurde vom Verein "1000 Jahre Osann" veranstaltet und gab den Anstoß zur Erinnerung und Aufarbeitung.

 Rene Richtscheid vom Emil-Frank-Institut erzählte leicht verständlich, wie sich die Ansiedlung der Juden in Deutschland entwickelte. TV-Foto: Christina Bents

Rene Richtscheid vom Emil-Frank-Institut erzählte leicht verständlich, wie sich die Ansiedlung der Juden in Deutschland entwickelte. TV-Foto: Christina Bents

Osann-Monzel. (chb) Endlich hatten die Osanner Bürger Gelegenheit sich über das jüdische Leben in der Region und in ihrem Ort zu informieren und auszutauschen. Der Verein "1000 Jahre Osann" hatte zu diesem Abend eingeladen. "Osann hatte einen schlimmen Ruf im Bezug auf Juden und nicht zu Unrecht", erzählte Matthias Junk, "deshalb bin ich positiv überrascht wie viele Leute hier sind". Der "schlimme Ruf" bezieht sich auf den Fall Bergmann (siehe Extra). Nach Angaben von Rene Richtscheid, Leiter des Emil Frank Instituts, erlaubte der Kurfürst von Manderscheid bereits 1547 einer jüdischen Familie, sich in Osann anzusiedeln. Marianne Bühler, ehemalige Leiterin des Emil-FrankInstituts, erzählte von den Juden als Bürger, Religionsgemeinschaft und Fremde, Ausgegrenzte und Verfolgte. Eine Lesung von Josefine Wittenbecher führte vor Augen, wie nach dem Krieg das Thema Judenverfolgung im Ort verdrängt wurde. Dr. Yaghoub Khoschlessan sprach unterhaltsam und fachkundig über das Judentum.

Höhepunkt war die Präsentation von Fragmenten der Thora, die in der Synagoge in Osann gelesen wurde. Was mit ihr passiert, wird erst nach der gesetzlichen Prüfung entschieden. Anschließend gab es die Möglichkeit für Fragen und Gespräche. "In unserem Haus, so hat man mir gesagt, hätte sich eine jüdische Gerichtsbarkeit befunden, und der Pfad, der zur Mosel führte, hieß Sittischpfädchen, also Sühnepfad", berichtete Heinz Traut. Marianne Hoffmann erinnerte sich, dass sie oft im Haus der jüdischen Familie Kahn gespielt hat. Matthias Junk erzählte, dass es auch Leute gab, die Kindern judenfeindliche Lieder beigebracht haben.

Aber nicht alle wollten erzählen. Ein Besucher meinte "Ich weiß noch Dinge, die damals passiert sind und wer beteiligt war, aber ich sage nichts." Dennoch war die Stimmung versöhnlich. Nach dem offiziellen Teil saßen noch viele Teilnehmer zusammen. Traurige Geschichten und lange vergessene Begebenheiten kamen zum Vorschein. Extra Der Fall Bergmann: Einem 81-jährigen Juden, einem Leder- und Schuhhändler, wurden bereits 1935 die Fensterscheiben seines Geschäfts eingeworfen und sein Haus beschmiert. In der Pogromnacht wurde sein Haus geplündert und verwüstet. Daraufhin zog er nach Trier. Um noch die Mieten seiner Häuser einzuziehen und Grundstücke zu verkaufen, kam er zurück nach Osann. Die Situation eskalierte und der alte Mann wurde auf dem Weg zur Bahn nach Platten brutal zusammengeschlagen und starb.

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