August auf Wittlicher Art

Vor oder nach der Säubrennerkirmes? Das ist eine Wittlicher Zeitrechnung, denn am langen Kirmeswochenende steht die "Normal-Zeit" still. Dann lädt die Stadt zu einem der größten Volksfeste im Land.

 Neben dem Riesenrad dreht sich zur Kimes alles um sagenhafte Säue. Foto: Manfred Eltges

Neben dem Riesenrad dreht sich zur Kimes alles um sagenhafte Säue. Foto: Manfred Eltges

Wittlich. In den Himmel ragt das Riesenrad auf dem Rummelplatz, überm alten Rathaus weht die Säubrennerflagge und auf dem Markt geht es traditionell zur "Saubraten-Ausgabe": All das gehört zur großen Wittlicher Kirmes. Das riesige Volksfest, dessen Besucherzahlen alljährlich einfach mit "Milliuuunen", also etwa 100 000, angegeben werden, fußt fest auf Traditionen: Ohne die Sage von der Stadteroberung, ermöglicht durch eine gefräßige Sau, gäbe es kein Schwein am Spieß, keinen "Belagerungstrunk", weder Festschauspiel noch Festzug und auch der Stadtheilige St. Rochus müsste ohne frische Blümchen von der Feuerwehr auskommen. Die festen Kirmes-traditionen sind alljährlich am dritten Wochenende im August ein "Muss" für echte Säubrenner. Und das seit über einem halben Jahrhundert, als Bürgermeister Matthias Mehs die Kirmes "erfand". Alte Traditionen, neue Attraktionen

Für sie werben seit Wochen schon die berühmten "hängenden Scherl-Schweine" als Logo des Festes. Dass die Traditionen eingehalten werden, wird alljährlich kontrolliert und im "Protokoll" des Vorjahres auch öffentlich verkündigt. Neu ist alljährlich das große musikalische Angebot, wobei das Blasorchester Wittlich jedoch "Stammkunde" mit seinen täglichen Auftritten ist. Neu sind natürlich alljährlich die Attraktionen des Rummelplatzes sowie die Weine der Winzer.Für all die, die das Fest erstmals erleben wollen, gibt der TV folgende Tipps:Sage: Mit dem mächtigen Getöse der Böllerschützen startet gegen 21.30 Uhr am Freitag, 17. August, die Aufführung der Säubrennersage im Stadtpark. Die Begleitung eines "platt-kundigen" Menschens wird empfohlen. Danach wird auf dem Marktplatz die Kirmes offiziell eröffnet und der Belagerungstrunk ausgegeben. Wer diesen Auftakt miterlebt, weiß, warum ab Samstag die Säue gebraten werden.Säue: Die ersten Schweine werden am Samstag ab 14.30 Uhr mit einem riesigen Festumzug, traditionell mit den 50-Jährigen der Stadt, zum Röststand auf den Marktplatz gebracht. Dort wird dann auch das Kirmesprotokoll des Vorjahres verlesen, und ein schwindelfreier Feuerwehrmann überreicht St. Rochus im Giebel des Alten Rathauses ein Blumensträußchen. Der Bürgermeister höchstpersönlich schneidet dann die erste Sau im Beisein von Röstmeister Andreas Mittler an und bis Montag um Mitternacht kann man den Braten genießen (3,60 Euro). Souvenirs: Zum einen erscheint alljährlich das Kirmesheft "Der Säubrenner", zum anderen wird es in diesem Jahr erstmals wieder eine Säubrennerplakette aus Holz geben, die an den Ständen der Wittlicher Winzer verkauft wird. Souve-nirartikel gibt es im Alten Rathaus, Neustraße, etwa die "Säubrenner-Stägken-Kirmesedition" der Fleischereien Illigen und Haeb. Wer weniger auf lokale Traditionen setzt, kann die obligatorische Rose am Schießstand erwerben oder sein Glück bei den Losbudenverkäufern versuchen. Beliebt ist auch, sich am Blumenstand, meist an der Kurfürstenstraße, Topfpflanzen, gerne mannshoch, zu kaufen, um sie stolz den ganzen Abend mit sich herum zu schleppen. Außerdem gibt es einen Handwerkermarkt, auf dem sich ein Mitbringsel findet.Säubrennertüten für die Kinder

Säubrennerchen: Für Kinder, die naturgemäß besonders der Rummelplatz fasziniert, gibt es statt Saubraten alljährlich "Kinder-Säubrennertüten" täglich ab 12 Uhr am Rathausfenster mit einem Würstchen, Apfel, Möhre, Getränk und immer einer besonderen Kleinigkeit zum Spielen (drei Euro). Für die kleinsten Besucher ist am Montag, 15 bis 16 Uhr, Kinderbelustigung auf der Musikbühne Marktplatz. Außerdem wird ab 11 Uhr auf dem Pariser Platz Kinderschminken angeboten.Sause: Wer nicht vor den Musikbühnen oder den Wein- (Bier-)ständen auf Bekannte trifft und die Zeit vergisst, tummelt sich auf dem Rummelplatz, der am Freitag, 18.30 Uhr, traditionell beim Riesenrad eröffnet wird. In diesem Jahr sind das größte Labyrinth Europas "Super Mario World", das Fahrgeschäft "X-Factor" und die neue "Gaudi-Schaukel" einige der Attraktionen.Service: Der Malteser Hilfsdienst und die Stadt Wittlich bieten Wickelplatz und Still-ecke im Haus der Jugend, Kurfürstenstraße 3 und im Alten Rathaus an. Im Haus der Jugend ist außerdem der Sanitätsdienst zu finden sowie die Kindervermisstenstelle, Telefon 06571/1469393. Hinreichend stille Örtchen findet man dank mobiler Toilettenanlagen im gesamten Stadtgebiet. Ansonsten ist die Stadtverwaltung bei Fragen an den Kirmestagen erreichbar: Telefon 06571/146614. Meinung Im Jahr 57 nach Meehse Matti Es gibt Kollegen, die packt jedes Jahr im Sommer das Grauen. Immer dann, wenn die Lokalseiten Wittlichs ähnlich wie zu Karneval monothematisch werden. Das ganze Brimborium wegen der Saubraten und zudem die merkwürdige Zeitrechnung "vor und nach der Kimes" juckt sie nicht. Dabei ist es genau das, die Tradition, die das Fest zu dem macht, was man heutzutage gerne mit "Leuchtturm" oder "Alleinstellungsmerkmal" umschreibt. Die Traditionen rund um die Säubrennerkirmes mögen die jüngsten Besucher noch kalt lassen, weil ihr Herz eher für den Rummelplatz schlägt oder die Bands auf den Bühnen. Doch nicht nur gestandene Wittlicher lieben es, wenn sich wiederholt, was sie kennen: Gelage am Weinstand, das Kirmesprotokoll, die Feuerwehrleiter am Rathausgiebel, überhaupt das Einholen der Säue, das Frühschoppenkonzert des Blasorchesters und sonstige "sagenhafte" Rituale. Wie empfindlich man auf die Traditionen achtet, beweisen die leidenschaftlichen Diskussionen, wie es sie bei der Weinstandneugestaltung, dem neuen Kirmes-pokal und dem Plakat gab. Dabei lebt das Volksfest von der unwägbaren Mischung aus Althergebrachtem und Neuem. Jeder hat "nach der Kirmes" neue Geschichten zu erzählen oder erinnert sich "vor der Kirmes" an Anekdoten vergangener Festtage- oder nächte. Den "Milliuuunen", die das Fest organisieren und lebendig erhalten, ist zu verdanken, dass das auch im Jahr 57 nach Meehse Matti so sein wird. s.suennen@volksfreund.de

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