Wittlicher Bahnhofswirtin schließt Gaststätte: „Das war unser Leben”

Wittlich · Am Bahnhof in Wittlich endet eine 36-jährige Geschichte. Hiltrud Dokler schließt ihre Bahnhofsgaststätte – es ist das Ende einer Ära.

Hiltrud Dokler ist jung geblieben, ihre Haare sind immer noch kräftig blond. Als Kopfschmuck trägt sie eine schwarze Stoffschleife, passend zu ihrer schwarzen Bluse. An ihrem Aussehen hat sich über viele Jahre nichts verändert. In ihrem Leben aber sehr wohl. Vergangenes Jahr schloss sie ihre Gaststätte am Bahnhof in Wittlich-Wengerohr und damit auch ein 36-jähriges Stück Geschichte der Stadt.

Hiltrud Dokler erinnert sich: Es war 1981, als sie und ihr Mann Michà die Gaststätte übernahmen. Sie seien ein junges Paar gewesen. Hätten sich erst kurz zuvor in einem Lokal in Bernkastel-Kues ineinander verliebt.
Sie seien noch nicht lange zusammen gewesen, da habe Michà die Gaststätte am Bahnhof in Wengerohr gesehen. Außerdem, dass sie leer stand und die Bahn einen neuen Pächter für die Wirtschaft suchte. Michà überredete die damals 32-jährige Hiltrud Dokler, das Lokal zu übernehmen.

Doch es gab ein Problem. Die Bahn, der das Gebäude gehört, hatte Vorgaben gemacht, die das Paar nicht erfüllen konnte. "Die wollten Leute, die verheiratet waren. Zudem einen ausgebildeten Koch." Der Getränkehändler sei es gewesen, der dafür sorgte, dass ihr Traum dann doch in Erfüllung gegangen sei, erinnert sich Dokler.

Der Händler habe die Wirtschaft von der Bahn gepachtet. Geführt worden sei die Gaststätte aber von Michà und Hiltrud. Sie hätten ihre Sache gut gemacht. So gut, dass die Bahn nach einiger Zeit dann zugestimmt habe, die Gaststätte an das Paar zu verpachten. Fortan wurde die Wirtschaft zu einem Anziehungspunkt für Menschen aus Wittlich, aber auch für Reisende, die auf dem Weg an die Mosel waren. "Jeder Tag war anders. Bei uns waren immer andere Menschen", sagt Dokler.

Sie erinnert sich beispielsweise an die Zeit, als noch fast 4000 Franzosen in Wittlich stationiert waren und die Soldaten zu ihr ins Lokal gekommen seien. Ihr Mann habe ihnen Hamburger gemacht und sie quer durch die Wirtschaft geworfen. Die Soldaten, die an den Tischen saßen, hätten sie dann gefangen. Außerdem habe sie 20 Jahre lang jedes Jahr etwa 20 Österreicher zu Gast gehabt, die bei ihr gefrühstückt hätten, bevor sie dann weiter an die Mosel gefahren seien, um dort Urlaub zu machen.

Auch Liebesgeschichten wurden am Bahnhof von Wengerohr geschrieben. Dokler erzählt die Geschichte von einem Arbeiter, der jeden Morgen nach der Spätschicht zu ihr gekommen sei, um einen Kaffee zu trinken. Zur gleichen Zeit habe eine junge Frau auf den Zug nach Trier gewartet, um auf die Arbeit zu fahren. Ihre Wege kreuzten sich vor den Augen von Hiltrud Dokler. Das Paar sei immer noch verheiratet. Hiltrud Dokler hält heute noch inne, wenn sie an die vielen und schönen Geschichten zurückdenkt, die die Besucher erzählten, während sie Essen und Getränke servierte. "Die Gäste waren wie eine Familie." Diese Zeiten seien aber lange vorbei. Das Leben an dem Bahnhof nahm immer mehr ab. Auch weil viele Zugverbindungen gestrichen worden seien.

Vor einem Jahre schlägt dann das Schicksal zu. Michà Dokler stirbt. Für Hiltrud Dokler wird die Arbeit in der Gaststätte zu viel. Sie schließt die Gaststätte im Dezember vergangenen Jahres.

Sie möchte die Geschichten, die sich in der Gaststätte am Wengerohrer Bahnhof abspielten, in guter Erinnerung behalten. Während sie davon erzählt, schwingt bei Hiltrud Dokler jedoch noch jede Menge Wehmut mit: "Das war unser Leben."

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