Brudermahl? Himmelsträger? Das ist Tradition

Wittlich · Die St. Sebastianus-Bruderschaft ist die älteste kirchliche Bruderschaft in Wittlich. Sie wurde 1636 gegründet. Ihr Schützenmeister ist friedfertig und schießt nicht. Das Ehrenamt ist jetzt an Matthias Bungert übertragen worden.

 Matthias Bungert. Foto: privat

Matthias Bungert. Foto: privat

Foto: (m_wil )

Wittlich. Anno 1636: Im Namen des Heiligen Sebastian gründen Männer in Wittlich eine Bruderschaft. Sie heißt: Fraternitas S. Sebastiani Wittliacensis. Ihre Mission: Brot und Geld an die Armen verteilen. Heute heißt der Leitgedanke: "Solidarisches Miteinander und soziales Engagement", noch immer wird Menschen in Not geholfen, Geld an Bedürftige gegeben.
1710 erneuert sich der Zusammenschluss, heute im Jahr 2016 ist er immer noch aktiv und hat gerade einen neuen Schützenmeister auserkoren. Ohne Tamtam und ohne, dass ein Schuss fällt. Denn es geht weiterhin in erster Linie darum, Gutes zu tun, eben zu beschützen. Deshalb hat die älteste katholische Vereinigung der Stadt nichts mit einem profanen Schützenverein zu tun.
Der neue Schützenmeister wird in einem Ritual, das die Jahrhunderte überdauert hat, bestimmt: Am Dreikönigstag, 6. Januar, berät der Vorstand der Bruderschaft, der aus den Schützenmeistern der vergangenen sechs Jahre besteht, wer der nächste Schützenmeister wird. Dann wird gefragt, ob der ahnungslose Auserwählte das Ehrenamt annimmt und überhaupt in die Reihe der geschichtsträchtigen Vereinigung aufgenommen werden will.
Der 32-jährige Matthias Bungert hat jetzt Ja gesagt. "Ich wurde im Urlaub angerufen und habe mich riesig gefreut, als mich die Nachricht erreicht hat."
Seit dem Namenstag des Heiligen Sebastian am 20. Januar ist er nun im Amt: Zu dem Ehrentag gibt es eine Messe, dann ein sogenanntes Gabelfrühstück im Haus des Auserkorenen: Dazu gibt es zwei Flaschen Wein und einen Eierzopf.
Wenn das Hefegebäck angeschnitten ist, gelte das als Signal an den Vorstand, sich wieder auf den Weg zu machen, heißt es. Abends folgt noch ein Brudermahl (seit der jüngsten Tradition stets im Casino) zur offiziellen Aufnahme in die Gemeinschaft.
Und es kommt zu einer feierlichen Übergabe: Ein Pfeil nebst Bogen, eine Muttergottesfigur und eine von Hans Scherl geschaffene Sebastianus-Statue wurden jetzt vom Vorgänger, Thomas Losen, an den neuen Schützenmeister übergeben.
Matthias Bungert: "Die Madonna hat natürlich einen Ehrenplatz auf dem Schrank und thront nun über uns."Familientradition


Unter anderem hat er nun die vier Gottestdienste im Jahr zu organisieren, mit deren Kollekten-Erlös zur Weihnachtszeit Bedürftige in Wittlich unterstützt werden. Im Hause Bungert ist das quasi eine Familientradition: Sein Vater Jürgen Bungert war 1983 Schützenmeister. Wer weiß, vielleicht wird irgendwann einer Enkelgeneration der Familie diese Ehre zuteil.
Ansonsten gilt: Einmal Sebastianer, immer Sebastianer: Die Mitgliedschaft gilt auf Lebenszeit. Der Vorstand wird immer aus den vergangenen sechs Schützenmeistern gebildet, und Präsident ist der jeweilige Pfarrer von St. Markus.
Pfarrer Bruno Comes: "Ich denke, weil es der Geist der Bruderschaft bestimmt, ohne großes Aufheben Gutes zu tun, ist es, seit ich qua Amt Präsident bin, überhaupt nicht schwer, weitere Nachfolger zu finden."
Am namensgebenden Heiligen schätzt der Pfarrer: "Diesen Mut, dass er zwei Mal sehenden Auges in den Tod gegangen ist. Ein Mann, der völlig unerschrocken war." In St. Markus wird eine Reliquie Sebastians aufbewahrt. Sie befindet sich in einer Figur, die im Tresor liegt, und nur im Gottesdienst zum Namenstag auf dem Altar steht.
Nach der Predigt, so Bruno Comes, nehme er sie in die Hand, und die Mitglieder der Bruderschaft verneigen sich vor ihr, als Zeichen der inneren Gefolgschaft.
Und es gibt noch ein uraltes Ritual: Zur großen Fronleichnamsprozession in Wittlich tragen vier Sebastianer traditionell den Himmel. Ansonsten muss man genau hinsehen, um sie zu erkennen: Sie tragen einen kleinen Pfeil am Revers.

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