Christliches Gedenken und der Geist der Nazis

Mit der Enthüllung einer aus massivem Eichenholz gefertigten Gedenktafel in der Aula des ehemaligen Lehrerseminars fand am Pfingstmontag 1933 ein "Gedenkprojekt" in Wittlich seinen feierlichen Abschluss, an dem ehemalige Seminaristen drei Jahre gearbeitet hatten.

Wittlich. In der Aula der damaligen "Aufbauschule" hatten sich lokale Prominenz und Vertreter der rheinischen Schulverwaltung (mit angelegten Orden) zunächst zu einem "Kriegergedächtnisamt" versammelt, das der ehemalige Religionslehrer des Seminars Bleidt leitete. Den Höhepunkt der morgendlichen Feier bildete dann die Übergabe der Gedenktafel an den Leiter der Aufbauschule Dr. Pendzig.

Liest man die erhaltenen Dokumente und den Zeitungsbericht, so wird bald klar, dass sowohl die Gestaltung der Tafel selbst als auch die Übergabefeier geprägt waren einerseits von christlichem Gedenken an die gefallenen 42 Seminaristen aus den Jahrgängen 1912-1920, aber auch schon vom neuen Geist der NS-Diktatur mit seinen nationalistisch-revanchistischen Tönen. So deutet das "Wittlicher Tageblatt" (WTB) die drei Stelen, die nach unten ihren Abschluss in einem medaillonartigen Relief mit der Darstellung eines kauernden, nackten Kriegers finden: "Herausgerissen ist der Gefallene aus dem hoffnungsfrohen, blut- und glutvollen Leben, gleichsam eingeschlossen und verbannt in das heimatlose Grab des Soldaten. Doch diese Weltverlassenheit ist für ihn nicht hoffnungslos. Aus der Erdverbundenheit weist aufwärtsstrebend ein Kreuz, das Zeichen des Heils, dessen Streben im Dreiklang der Tafeln noch einmal überwältigend hochgerissen wird, sichtbar vereinend die Hand des allmächtigen Gottes, in der das A und O alles Irdischen liegt."

Eine bemerkenswerte Deutung, wenn man bedenkt, dass Kreuze auf Ehrenmalen der NS-Zeit lediglich geduldet wurden als offizielles Emblem des "Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge"(Fünfergruppe) und als Symbole der Kraft und des Lebens galten, nicht aber des Selbstopfers Christi. Die Darstellung des nackten Kriegers, die auf einem ursprünglichen Entwurf von 1932 noch nicht vorgesehen war, entsprach indessen der damaligen NS-Ikonographie: Zeitlosigkeit und Heroisierung des Soldatentodes nach klassizistischem Vorbild. Während das musikalische Programm traditionell ausgerichtet war mit Werken von Bach, Haydn und Schubert, vermittelte insbesondere die "formvollendete und eindrucksvolle Rede" des aus dem Wittlicher Seminar hervorgegangen NSDAP-Gauleiters von Bochum, Josef Wagner, die NS-Ideologie, die gezielt die Weltkriegstoten zu vereinnahmen suchte.

So fordert der Redner dazu auf, "wie die Toten auf der Ehrentafel rückhaltlos und unter Einsatz des Höchsten mitzuarbeiten am Wiederaufbau des Reiches. Dann sind die Brüder nicht umsonst gefallen." (WTB vom 10.6.1933)

Und auch der Berichterstatter schlägt in die gleiche Kerbe, wenn er schließt: "Was sie nicht erreicht, wir wollens erstreben." Am Ende der Feier erklangen die drei Strophen des Deutschlandliedes.

Im Herbst 2008 wurde die im Keller des Cusanus-Gymnasiums abgelegte Gedenktafel präsentiert im Rahmen der Ausstellung "Schule unterm Hakenkreuz". In der Tat ein schwergewichtiges und für sich sprechendes historisches Erinnerungsstück, das in Wittlich künftig aber einen besseren Platz verdient hätte.

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