"Das hat mir enormen Spaß gemacht"

Ralf Bußmer musste krankheitsbedingt im Mai von seinem Amt als Wittlicher Bürgermeister Abstand nehmen. Sein Nachfolger Joachim Rodenkirch hat ihn gestern in einer Festsitzung verabschiedet. Zuvor sprach Ralf Bußmer mit TV-Redakteurin Sonja Sünnen.

 Gelebte deutsch-amerikanische Freundschaft: Vor dem Haus hat Ralf Bußmer geflaggt. Und er hat mit seiner Hündin Ronja die Stille des Liesertals schätzen gelernt und das nicht erst seit seiner chronischen Krankheit. TV-Foto: Sonja Sünnen

Gelebte deutsch-amerikanische Freundschaft: Vor dem Haus hat Ralf Bußmer geflaggt. Und er hat mit seiner Hündin Ronja die Stille des Liesertals schätzen gelernt und das nicht erst seit seiner chronischen Krankheit. TV-Foto: Sonja Sünnen

Wittlich. (sos) Im Grünen fühlt sich Ralf Bußmer wohl. Im Haus im Liesertal bei Plein sprach er vor der gestrigen Festsitzung über Höhepunkte seines Ex-Amtes und die schwierige Zeit des Übergangs bis zur Verabschiedung.

Die klassische Frage: ,Wie geht es Ihnen?' ist bei Ihnen eine besondere, immerhin mussten Sie krankheitsbedingt Ihr Amt aufgeben. Möchten Sie etwas dazu sagen?

Ralf Bußmer: Gerne. Mein Gesundheitszustand hat sich stabilisiert. Manchmal denke ich, es wäre besser, eine sichtbare Krankheit zu haben, das würde es einfacher machen. Meine chronische Erkrankung sieht man nicht, und die Leute erleben mich natürlich nur an den Tagen, an denen es mir besser geht. Ich kämpfe darum, wieder ganz gesund zu werden. Es gibt zumindest eine vage Chance.

Wie ist es denn, wenn man von sich selbst, also seinem Körper, so ausgebremst wird?

Bußmer: Es ist eine unglaubliche Zäsur. Als ob Sie mit dem Schleudersitz aus einem Jet aussteigen müssen und von Schallgeschwindigkeit auf normales Absinken gebremst werden. Plötzlich steht der eigene Körper, den ich über Jahrzehnte ausgebeutet habe, im Mittelpunkt. Dies erfordert ein unglaubliches Umdenken, sich auf sich selbst zu konzentrieren, mit sich selbst achtsam umzugehen, das Umfeld gelassen laufen zu lassen.

War es also schwer, nur beobachten zu können, etwa als Sie von Herrn Klein vertreten wurden?

Bußmer: Die Phase war die schwerste, ein Zustand der Agonie, in der ich allerdings noch gehofft hatte, wieder gesund zu werden. Bis zu dem Punkt, als klar war, dass es einfach nicht mehr ging. Das Gute war, dass Albert Klein, Uli Jacoby, Leo Kappes und Renate Bender natürlich fast täglich mit mir geredet, mich zu den wichtigen Dingen gefragt haben, damit es in meinem Sinne ging.

Eine Entscheidung, die in dieser Zeit Ihrer Abwesenheit für Furore sorgte, war die Streichung der Stelle des Kulturamtsleiters

Bußmer: Ich halte die Entscheidung für richtig und bin überzeugt, dass die Mehrheit in Wittlich das auch für richtig hält. Man muss vielleicht Ihre Frage vorausschicken, welchen Ratsbeschluss ich gerne rückgängig machen würde. Das ist der Ratsbeschluss vom 27. Juni 2002, als gegen meine Stimme einstimmig gesagt wurde, dass die ,innovative, nachhaltige und qualitätsorientierte Kunst- und Kulturpolitik der Stadt' wie bisher fortgesetzt werden solle. Dieser Beschluss hat dem Bürgermeister jede Chance genommen, die Kulturpolitik umzusteuern. Dann konnte nur und alleine der Stadtrat das Dilemma auflösen, indem die für Wittlich unverhältnismäßige Stelle gestrichen wurde.

Was raten Sie Ihrem Nachfolger zu diesem Thema?

Bußmer: Ich denke, das Kulturkonzept, das auf meinen Vorschlag hin gemeinsam erarbeitet wurde, stellt die klare strategische Ausrichtung der Kulturarbeit in Wittlich zukunftsfähig dar. Es kommt jetzt darauf an, diese Inhalte, die vom Rat so deutlich beschlossen worden sind, möglichst einvernehmlich mit Leben zu erfüllen. Wobei nichts strittiger ist als Kultur...

Unstrittig ist, dass in Ihrer Amtszeit viele Großprojekte angestoßen und realisiert wurden. Worauf sind Sie besonders stolz?

Bußmer: Natürlich auf die Konversion, die wahrscheinlich das schnellste Konversionsprojekt in Deutschland ist. Und das finanziell erfolgreichste, weil wir die Einzigen sind, die tatsächlich einen Überschuss erwirtschaftet haben.

Des Weiteren, dass wir alle unsere Schulen einschließlich der Dualen Oberschule (DOS) in einen vorbildlichen Zustand versetzt haben. Wer mich ein bisschen kennt, weiß: Bildung und Ausbildung sind für mich immer das Wichtigste.

Schmerzt es Sie, dass die DOS in Wengerohr jetzt leer steht?

Bußmer: Ja! Ich erinnere an den Gutachter, der gesagt hat: ,Sie brauchen im ganzen Landkreis keinen Stein mehr in die Hand zu nehmen. Alle Gebäude bestehen bereits.' In Wengerohr, wo der Zweckverband DOS enormes Geld in die Hand genommen hat, habe ich als Zweckverbandsvorsitzender bereits frühzeitig gesagt, dass wir das Gebäude für die Wittlicher Schulen zur Verfügung stellen wollen. Heute hat man das Desaster. Diese Chance hat der Landkreis bedauerlicherweise verspielt, man wollte das politisch einfach nicht. Allen wohl und keinem weh, wie man es von dessen Spitze kennt.

Glauben Sie, Bürgermeister von Wittlich zu sein war ein Höhepunkt Ihrer Vita?

Bußmer: Mit Sicherheit. Das war der Höhepunkt meines beruflichen Werdeganges. Für mich steht fest, dass die positiven Seiten überwiegen. Und das Salz in der Suppe war, abzuwägen, zu entscheiden und die Entscheidung auch umzusetzen. Das hat mir enormen Spaß gemacht. Was mich gestört hat: Aufgrund des 360-Grad-Druckes, dem man im Amt ausgesetzt ist, hatte ich keine Zeit, mich über Erfolge zu freuen.

Ein Anlass, sich zu freuen, ist ja womöglich die Wirtschaftswoche. Gehen Sie hin?

Bußmer: Die Wirtschaftswoche ist für die gesamte Region bis nach Belgien, Luxemburg enorm wichtig. Als 2002 die Entscheidung anstand, ob wir sie noch mal veranstalten - damals hatten wir ein Konjunkturtief, alle Messen sind eingebrochen- da kam ,Wirtschaftsdezernent' Leo Kappes und fragte: ,Schlagen wir dem Rat vor, dass wir die WWW noch mal machen oder nicht?' Das war eine schwierige Entscheidung, mit viel analytischem Hintergrund. Dann habe ich gesagt: ,Wir machen es. Und wir machen es wie bisher: kein Eintritt, keine Kosten für Flyer, kostenloser Busshuttle und vor allen Dingen keine Billigheimer.'

Deshalb bin ich enorm stolz, dass die WWW 2003 und 2006 gewachsen ist und jetzt wieder eine Steigerung an Ausstellern verzeichnet. Wenn es mein Gesundheitszustand zulässt, werde ich gerne hingehen. Die WWW ist ein Highlight.

Was möchten Sie den Wittlichern sagen, bei denen Sie sich nicht verabschieden konnten?

Bußmer: Mir persönlich hat es sehr leid getan, dass ich mich nur bei einigen Gruppen verabschieden konnte. Aber ich habe unglaublich viele Briefe bekommen, Besuche, Anrufe, E-Mails. Dafür möchte ich mich bedanken! Die Anteilnahme an meiner Person hat mir gezeigt, dass die unüberhörbaren Berufsnörgler eine winzige Minderheit sind. Dass dem Menschen hinter dem Amt doch Wertschätzung entgegengebracht wird. Das ist im Alltagsgeschäft nicht selten untergegangen. Ich habe im Amt mit allen gesellschaftlichen Gruppen gerne zusammengearbeitet und geredet. Vielen Dank an alle, die guten Willens waren!

Sollte es Ihnen einmal bessergehen. Was würde Sie beruflich reizen?

Bußmer: Wenn ich wieder arbeitsfähig werde, würde ich gerne im Bereich Consulting arbeiten.

Welcher Moment als Bürgermeister hat Sie als Mensch besonders bewegt?

Bußmer: Das absolut bewegendste Ereignis war die Verleihung des Georg Meistermann Preises an Frau Charlotte Knobloch. Es war für alle menschlich tief berührend und auch wundervoll. Die Herzlichkeit von Frau Knobloch besonders vor dem Hintergrund dessen, was sie als Mensch erlebt hat, war überwältigend: Wenn ich daran denke, kriege ich Gänsehaut.

Und ein Blick in die Zukunft: 2020 gibt es eine Stadthalle und gibt es noch das Hallenbad?

Bußmer: Ein Hallenbad wird es auf jeden Fall geben, weil niemand ernsthaft diesen Sportbereich, der gut funktioniert, aufgeben will. Die Kosten sind zwar enorm, aber das ist auch eine Frage der von mir wiederholt geforderten Kostenbeteiligung anderer Kommunen. Zur Stadthalle: Es wäre Wittlich zu wünschen, bis dahin spätestens eine funktionierende Stadthalle zu haben. Diese muss mit Investitionspartnern wirtschaftlich so tragfähig aufgestellt sein, dass die Halle mit einem breiten Nutzungsportfolio nachhaltig geführt werden kann. Das wäre tatsächlich ein Nutzen für unsere Kreisstadt und das ganze Umland.

Bald wird die Schlossgalerie eröffnet, an die Sie immer geglaubt haben. Was werden Sie dort kaufen?

Bußmer: Ich bin enorm stolz auf das sichtbare städtebauliche Ergebnis unseres Ansiedlungsmanagements. Was ich kaufe, werde ich am Angebot festmachen. Ich bin überzeugt, dass die Schlossgalerie die Stadt volkswirtschaftlich aufwertet. Das ist eine Angebotserweiterung des ,Kaufhauses Wittlich' und bindet Kaufkraft zum Nutzen aller Händler!

Sie haben sich über den Wahlsieg Joachim Rodenkirchs gefreut. Was wünschen Sie ihm?

Bußmer: Gelassenheit. Manchmal war ich nicht gelassen genug.

Und was wünschen Sie den Wittlichern?

Bußmer: Dass sie erkennen, realisieren, was Wittlich alles bietet und eine positive Sichtweise: Also einfach Zuversicht!

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