Wittlich. (sys) "Ich habe mich entschlossen, die Zeit zu nutzen und nicht nur hier rumzusitzen", erklärt der Russlanddeutsche seinen Sinneswandel. Begeistert erzählt er, während der schriftlichen und der mündlichen Prüfung habe er sogar das Gefängnis um ihn herum vergessen - beflügelt von seinem eigenen Erfolg. "Es war ein gutes Gefühl. Ich hab noch nie so etwas gefühlt", sagt der muskulöse junge Mann mit den kurz geschorenen dunklen Haaren. Warum er im Gefängnis geschafft hat, was ihm in der Regelschule nicht gelungen ist? Die Lehrer hatten viel Geduld und er selbst viel Zeit zum Lernen, begründet der Gefangene, den Schule früher auch nicht interessierte.

Lehrer Manfred D., der lieber anonym bleiben möchte, unterrichtet seit 15 Jahren an der JVA Arbeitslehre, Biologie, Mathe und Deutsch.

18 von 22 Schülern haben bestanden

In seinem letzten Kurs haben 18 von 22 Schülern die Prüfung zum Hauptschulabschluss bestanden. Anfangs seien viele Gefangene motiviert, den Kurs zu besuchen, weil sie dafür Geld bekommen wie andere Häftlinge, die in der Zeit arbeiten. Je nach Lohnstufe bringt das am Tag zwischen zehn und zwölf Euro.

Aber das Geld allein führt nicht zu so vielen guten Noten, wie der Lehrer sie auf den Abschlusszeugnissen präsentiert. "Wir haben viel mehr Möglichkeiten, auf störendes Verhalten zu reagieren als normale Schulen", begründet der 52-Jährige den Erfolg. Wer den Unterricht stört, wird von einem Beamten in seine Zelle gebracht. Wiederholt sich das Verhalten, wird der Kandidat vom Unterricht ausgeschlossen. Das Ergebnis sind Ruhe und Disziplin.

Daher können die vier Lehrer in der nur achtmonatigen Kursdauer den Stoff aus den beiden Schuljahren acht und neun vermitteln. Dabei spielt auch eine große Rolle, dass die Häftlinge sich freiwillig fürs Lernen entschieden haben und älter sind als gewöhnliche Hauptschüler.

Lehrer Manfred D. sieht in seinen Kursen viele leistungsstarke Männer vor sich sitzen, sowohl aus dem Erwachsenenstrafvollzug als auch aus der Jugendstrafanstalt. "Viele hätten auch Abitur gemacht, wären sie in bildungsorientierten Familien aufgewachsen", ist er überzeugt.

Aus der Haftanstalt heraus hat sich der Gefangene H. auf eine Lehrstelle zum Bürokaufmann beworben und Glück gehabt. Im August beginnt die Ausbildung, die er aus dem offenen Vollzug besuchen wird. "Es war eine gute Chance und ich habe sie genutzt", freut er sich - zum ersten Mal richtig stolz auf sich selbst. Extra Schulabschluss an der JVA: Auf den Vorbereitungskurs für den Hauptschulabschluss an der JVA Wittlich bewerben sich männliche Gefangene aus ganz Rheinland-Pfalz. Bei einem Aufnahmetest wird der Kenntnisstand des siebten Schuljahres abgefragt. Wer besteht, wird nach Wittlich verlegt. Am Ende des Kurses stehen eine schriftliche und eine mündliche Prüfung in fünf Fächern. Dazu gehören in jedem Fall Deutsch, Mathe und Sozialkunde. Aus den Nebenfächern Biologie, Erdkunde, Arbeitslehre und Geschichte dürfen die Häftlinge zwei Fächer auswählen. Wer möchte, kann auch zusätzlich Englisch belegen. In der Prüfungskommission sitzen die Lehrer der JVA und zwei Prüfer der Dualen Oberschule aus Wittlich. Nach dem Hauptschulabschluss haben Häftlinge die Möglichkeit, an der JVA in Zweibrücken eine Berufsausbildung abzuschließen. Das Angebot reicht vom Elektroniker über den Werkzeugmechaniker zum technischen Zeichner. (sys)