Der Schmalz alter Zeiten

WITTLICH. Nur für den Fall, dass eine der Damen im Publikum noch Bedarf hatte: Bariton Bernhard Föhr, stilecht im schwarzen Schwalbenschwanz, verteilte großherzig Visitenkarten, wusste er doch: "Frauen brauchen alle einen Hausfreund."

 "Hoppla, jetzt komm ich!" hieß es beim Schwelg- und Schmalzabend mit Josef Thiesen (links) und Bernhard Föhr. Das war auch gut so, denn wie man bereits seit den 20-er Jahren weiß: "Frauen brauchen alle einen Hausfreund." TV-Foto: Petra Geisbüsch

"Hoppla, jetzt komm ich!" hieß es beim Schwelg- und Schmalzabend mit Josef Thiesen (links) und Bernhard Föhr. Das war auch gut so, denn wie man bereits seit den 20-er Jahren weiß: "Frauen brauchen alle einen Hausfreund." TV-Foto: Petra Geisbüsch

Großherzig waren sie in vielerlei Hinsicht, die beiden Musiker aus Rachtig, die zum Schmalz der 20er- und 30er-Jahre in die Synagoge geladen hatten. Zum einen, weil sie so freigiebig Visitenkarten für den eventuell fehlenden Hausfreund verteilten, zum anderen, weil sie sich durch die geringe Anzahl der Gäste nicht im Geringsten irritieren ließen. "Ja, so ist Wittlich!", hatte eine Zuhörerin ihnen zugerufen. Da intime Runden manchmal schöner sind als große Hallen und, wenn man es recht bedenkt, eine überschaubare Salonatmosphäre gerade dieser Art von Liedern eher zuträglich ist, hatten die knapp 50 Zuhörer dennoch sichtlich Freude an dem Bariton Bernhard Föhr und Pianist Josef Thiesen. Das Zauberland vergangener Tage

Die führten die Liebhaber alter Melodien durch das Zauberland vergangener Tage, in denen der Kavalier seiner Dame noch die Tür aufhielt, mit duftenden Sträußen zum Rendezvous auflief und ihr sittsam zum Abschied die Hand küsste. Geniale Zeilen aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts: "Carmen, hab Erbarmen, nur für heute, morgen bin ich wieder deine Beute..." oder "Mir ist so morbide - ich dachte du seist prüde - da fand ich diesen Fiesling - mit dir beim Riesling..." lösten in der Synagoge manch amüsiertes Lachen aus. Höchst lehrreich auch die Anleitung zum unauffälligen Ermorden der Gattin, auf die man zuvor eine Versicherung in Höhe von einer Million abgeschlossen hat. "Ich fahr mit meiner Klara in die Sahara." Dort erledigen dann wahlweise Löwe, Krokodil oder Elefant den Rest. Auch Neues war zu erfahren: Welcher Nachgeborene hat etwa gewusst, dass die gute alte Caprisonne bereits von 1943 stammte, allerdings sofort verboten wurde, weil der Pakt zwischen Hitler und Mussolini just zu diesem Zeitpunkt aufgelöst wurde. Humor bewies der Pianist in der umgedichteten zweiten Strophe dieses Evergreens. Da ließ er rhythmisch glucksend Fischers roten Capri im Meer versinken. An einem solchen Abend durften auch Werke von Max Raabe nicht fehlen. Ob Rinderwahn, ob das dumme Schwein, das nie anruft: Föhr und Thiesen machten mit Schwalbenschwanz und Fliege zu all ihren Liedern eine gute Figur, erst recht als düstere Mafiosi mit Hut und Sonnenbrille.

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