Der "Schmittner Friede" mit Clara Viebig

Einst fühlte man sich in Eisenschmitt von Clara Viebigs Sicht auf das Dorfleben in Verruf gebracht, heute schmückt sich der Ort mit einem nach ihr benannten Zentrum. Seit zwei Jahren zieht es Viebig-Fans aus aller Welt zu Lesungen und Sonderschauen in das kleine Eifeldorf.

Eisenschmitt. "Was sie geleistet hat, ist sagenhaft", lobt Ortsbürgermeister Georg Fritzsche das Lebenswerk von Clara Viebig. Der Eisenschmittner Bürgermeister steht in der "Herzkammer" des Clara Viebig-Zentrums - in dem Raum, in dem sämtliche Romane der 1860 in Trier geborenen Autorin ausgestellt sind. Dabei handelt es sich zum Teil um grafisch prächtig aufgemachte Bände, einige Originalausgaben sind darunter. Bei seinem Kompliment denkt Fritzsche vor allem an ihren Mut, "auch heiße Eisen anzupacken". Genau das war im Eisen schmitt des ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht mehr möglich. Weil an der Salm die letzten Eisenwerke schlossen, mussten sich die Eisenschmittner Männer an Saar und Ruhr als Fabrikarbeiter verdingen. Nur zweimal im Jahr besuchten sie ihren Heimatort - und vor allem ihre dort wartenden Frauen. Im Roman "Das Weiberdorf" schildert Viebig die Wiedersehensfreuden ebenso wie das Leben der Weiber in der männerlosen Zeit mit klaren Worten. Dabei lässt sie natürlich auch ihrer Fantasie freien Lauf. Als die "Frankfurter Zeitung" das Werk 1899 erstmals abdruckte, richtete der Gemeinderat ein Protestschreiben an die Zeitung. Der Forderung, den Vorabdruck sofort einzustellen, gab das Blatt nur für eine Woche nach. Aber immerhin: Nach der Veröffentlichungspause spielten die freizügigen Szenen fortan nicht mehr in Eisenschmitt, sondern im erfundenen "Eifelschmitt".Eine alte Eisenschmittnerin denkt heute noch an die Erzählungen ihrer Mutter. Die habe Viebig zwar als "schöne, modern gekleidete Frau" in Erinnerung behalten, sich durch ihren Roman aber trotzdem in Verruf gebracht gefühlt. Auch sie selbst scheint mit dem Wandel des Viebig-Gedenkens noch zu fremdeln. "Früher hat man sie aus dem Dorf gejagt, heute baut man ihr ein Zentrum." Dass für die meisten Eisenschmittner der Beiname "Weiberdorf" kein Schmähwort mehr ist, erklärt sie auch mit dem Wandel der Lebensverhältnisse und Moralvorstellungen. "Das, was Clara Viebig damals sehr deutlich beschrieben hat, sieht man heute nicht mehr so eng." Bürgermeister Fritzsche betrachtet die Einweihung des Dorfbrunnens im Jahr 1989 als wichtigen Einschnitt. Auf dem Rand der Wasserschale hat der Oberkailer Künstler Johann Baptist Lenz Szenen aus dem Roman veranschaulicht. Je länger der Brunnen auf dem Platz vor der Kirche plätschert, desto stärker stieg das Bekenntnis zu Viebig. "Natürlich hat schlicht auch der Generationenwandel viel dazu beigetragen", sagt Fritzsche. Das sieht auch Marianne Gores so, die das Zentrum ehrenamtlich mitbetreut und die Fragen neugieriger Besuchergruppen beantwortet. Allein im Juni hätten sich etwa 100 Gäste auf Viebigs Spuren begeben. "Und von wo die überall herkommen", staunt sie. Das Gästebuch versammelt Einträge von Viebig-Kennern aus ganz Deutschland und aus Übersee. In den letzten zwei Jahren fanden hier Sonderausstellungen zu Clara Viebig statt, Fans lasen aus ihren Werken, Forscher sprachen über ihren Platz in der deutschen Literatur. Das älteste Stück der Dauerausstellung - eine Originalausgabe des 1897 erschienenen Romans "Rheinlandstöchter" - lenkt den Blick des Besuchers weg von der reinen "Eifelschriftstellerin" hin zu anderen Facetten ihres Werks. Das Datum, zu dem sich Eisenschmitt auf besondere Weise an die Autorin erinnern wird, kann Fritzsche schon heute nennen: Im Sommer 2010, zu Viebigs 150. Geburtstag, soll eine Theatergruppe markante Szenen aus dem "Weiberdorf" aufführen - inklusive einem Tanz um den Brunnen. Mehr Informationen unter www.clara-viebig-zentrum.de Das Zentrum Die Dauerschau der Werke Clara Viebigs ist die Konstante im Ausstellungskonzept des Eisenschmittner Zentrums. Die Palette dessen, was den Besucher erwartet, ist aber auch jenseits des Viebig-Werks breit gefächert: Vom 31. August bis zum 31. Oktober stellen sechs Hobbymalerinnen mit Bezug zu Eisenschmitt ihre Gemälde aus. Zwischen dem 16. November und dem 16. Dezember zeigt Manfred Hubert seine selbst gebauten Krippen.

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