Der Tag nach dem Regen: Putzen, pumpen, Schäden zählen

Wittlich · Großreinemachen in der überfluteten Kita am Jahnplatz Wittlich, mehr als 70 Einsätze der Feuerwehr mit Unterstützung des THW in und um die Kreisstadt, Hagelschäden in Moselwingerten, verschlammte Felder: Helfer und Betroffene ziehen die erste Bilanz nach Hochwasser und Unwetter.

"Sogar unser Trinkwasser aus dem Hausbrunnen ist braun. Das habe ich noch nie erlebt. Erst dachte ich, der Enkel steckt dahinter, aber der war's nicht!" Die Frau diskutiert mit einer anderen Wittlicherin am Platz an der Lieser die Folgen des starken Regens vom Montag (der TV berichtete).

Ein paar Meter weiter macht eine Riesengruppe gerade Putzpause mit Butterbrot und Kaffee: In der Kita Jahnplatz hat der Rommelsbach sich ausgebreitet. Jetzt liegen überall Putzutensilien und Säcke. Kita-Leiterin Michaela Habscheid sagt: "Wir hatten Gott sei dank viel Hilfe: Schon abends kamen unser Personal, Eltern, Nachbarn, um anzupacken, zu putzen. Es war alles unter Wasser. Die Kita muss auf jeden Fall bis einschließlich Mittwoch geschlossen bleiben."

Derweil kümmert sich Manfred Zelder, Bauern- und Winzerverband, um seine Felder und Wiesen: "Die Wiesen sind überschwemmt. Eine ist total platt, nur Schlamm drauf, wo kniehoch Gras war. Da ist nichts mehr zu machen. Auch das Getreide liegt, das kann kein Drescher mehr ernten. Die Folgen sind noch nicht abzusehen. Gerade haben wir das nächste Problem: Der Hänger hat sich festgefahren."

Simone Mertes, Weingut Mertes, Wittlich, war noch abends schauen, wie es in den Wingerten aussieht: "Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen. Wenn es noch ein bisschen mehr geregnet hätte, wäre der Boden abgetragen worden. Wiese und Kraut haben das aufgehalten."

Anders an der Mittelmosel. Dort war vor allem der bekannte Weinort Graach vom Hagel betroffen - speziell das Gelände zwischen der Wehlener Brücke und dem Ortseingang. Hier drohen, so Eric Lentes (Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Mosel) Ernteausfälle von bis zu 80 Prozent. Mit Blick auf die gesamte Graacher Fläche könne allerdings nicht von einem außergewöhnlich markanten Ereignis gesprochen werden.

Martin Schmidt, Feuerwehr Witttlich, sagt: "Ich habe noch keinen genauen Überblick. Wir hatten sicher 70 Einsätze. Die Sandsäcke lassen wir vorerst liegen. Am aufwendigsten war die Maßnahme, mit dem THW den Pavillon zu schützen. Ich bin seit 1983 bei der Feuerwehr und seit 1988 im aktiven Dienst. Der Unterschied zu den Hochwässern 1993 und 2003: Diesmal war der Starkregen gleichzeitig auf alle Stadtteile verteilt. Dass wir schlagartig zu so vielen Stellen gerufen wurden, daran kann ich mich nicht erinnern. Problematisch war rauszufinden: Wo können wir noch Schaden verhindern, wo ist er schon eingetroffen. In der Kita konnten wir durch massiven Kräfteeinsatz noch helfen, im Industriegebiet Wengerohr, Belinger Straße, hatten wir dazu Glück: Hätte es weiter geregnet, wäre viel Wasser in die Betriebe gelaufen."

Axel Lamberti, THW: "Wir haben rund um den Markt die Feuerwehr unterstützt und Keller leer gepumpt. Am schwierigsten war, das Café im Pavillon zu schützen. Das war nicht ungefährlich. Für die Befestigungsplatten mussten wir erst das Material besorgen und sie vor Ort selbst anfertigen."

Drei Fragen an...

…Joachim Gerke, Wittlich-Bombogener und Abteilungsleiter Wasserwirtschaft, Fischerei, Abfallwirtschaft, Bodenschutz bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD) in Koblenz, die sich um 11000 Kilometer Gewässer kümmert.

Inwieweit hat Sie der enorme Anstieg etwa des klitzekleinen Rommelsbaches überrascht oder auch nicht?
Joachim Gerke: "Wir hatten 50 Millimeter Niederschlag in 24 Stunden, das sind 50 Liter pro Quadratmeter, am Regenschreiber in Wittlich. Dass dann Gewässer stark ansteigen, war zu erwarten. Neben dem Rommelsbach war das ja auch bei Sterenbach und Schattengraben aufgrund der Niederschlagsmenge so. Seit ich in Bombogen wohne, zeichne ich den Niederschlag auf. 50 Millimeter hatten wir in 20 Jahren nun zum zweiten Mal. Das ist schon ein seltenes Ereignis."

Als Laie fragt man sich: Wieso ging alles bei den kleinen Bächen so schnell, aber keineswegs an der Mosel?
Gerke: "Das ist eigentlich klar. Je kleiner das Gewässer ist, desto schneller reagiert es auf die Niederschläge, weil die Fließwege ganz kurz sind. Die Bäche sind wie kleine Adern und die Mosel die Arterie, bis die anschwillt, muss erst sehr viel Wasser in den Adern sein. Und das Mosel-Einzugsgebiet war nicht komplett überregnet, sondern die Niederschläge sind in Streifen gekommen. Dann ist die Gesamtmenge nicht genug."

Ihre Prognose: Seien Sie Wetterfrosch und Hochwasserwarnmelder. Wie geht es am Mittwoch weiter, wenn es wieder so regnet?
Gerke: "Das kann ich nicht sagen. Da habe ich überhaupt keinen Check."

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