Der Vorwurf: Im Knast Mithäftling erpresst und bedroht - Das Urteil: Freispruch

Wittlich · Erpressung und Gewalt im Gefängnis – das ist nichts Neues. Das Jugendschöffengericht verhandelte einen Fall, der sich in der Jugendstrafanstalt Wittlich zugetragen hat. Vier junge Männer sollen einen Mithäftling erpresst und ihm mit Gewalt gedroht haben. Sie wurden freigesprochen, weil der Hauptbelastungszeuge ungenaue Angaben machte

Früher als geplant endete der Prozess gegen vier junge Männer, die in der Jugendstrafanstalt Wittlich einen Mithäftling erpresst haben sollen. Staatsanwaltschaft, Verteidigung und schließlich der Richter waren sich einig, dass die Aussagen des Hauptbelastungszeugen für eine Verurteilung nicht ausreichen.

Die Angeklagten: Die vier jungen Männer - 19 bis 26 Jahre alt - bildeten mit anderen Mitgefangenen in der Jugendstrafanstalt Wittlich eine Wohngruppe. Zwei sind immer noch in Haft, sie wurden mit Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Einer befindet sich im offenen Vollzug, einer ist auf freiem Fuß. Über die begangenen Straftaten wurde nicht gesprochen.

Die Anklage: Als ein weiterer Gefangener zu der Wohngruppe hinzustieß, gab es nach einigen Wochen Stress. Die vier jungen Männer bezichtigten den Gruppenneuling, Sexualstraftaten begangen zu haben, was dieser bestritt. Später sollen sie ihn erpresst und ihm Schläge angedroht haben, falls er nicht für sie Tabak und Getränke besorge. Im Gefängnis, so erläuterte es einer der Angeklagten, sei Tabak eine Art Währung. Ein Päckchen Tabak wird als "Koffer" bezeichnet. Einmal pro Woche gibt es die Möglichkeit im Gefängnis, Tabak, Süßigkeiten, Getränke oder Shampoo im Wert von 30 Euro einzukaufen.

Die Aussagen: Die vier Angeklagten bestritten den Vorwurf der Erpressung und Gewaltandrohung. Vielmehr habe man dem Neuen zunächst aus Gutmütigkeit mehrere Päckchen Tabak gegeben, die man später wieder zurückgefordert habe. Einer sagte: "Ich hatte mit dem Neuen nichts zu tun, wir haben nur gelegentlich zusammen gekocht. Als ich mitbekommen habe, dass er ein Sexualstraftäter ist, habe ich mich, wie die anderen auch, von ihm distanziert."

Der Hauptbelastungszeuge: ein schmächtiger und unsicher wirkender junger Mann. Der Richter will wissen, wie die Erpressung abgelaufen ist, und hakt immer wieder nach. Der Mann sagt, er habe einmal seinen Einkauf im Wert von 25 Euro an die Angeklagten "abgeführt". Später habe er sich aber nicht mehr auf die Forderungen eingelassen. Der Richter will Details wissen, der Angeklagte macht widersprüchliche und ungenaue Angaben.

Die Staatsanwaltschaft: Der Richter unterbricht die Sitzung für eine Besprechung mit der Staatsanwältin und den vier Verteidigern. Danach fordert die Staatsanwältin Freispruch. Sie sagt: "Der Zeuge steht derzeit unter Betreuung, er ist intellektuell schwach aufgestellt. Es ist den Angeklagten körperlich unterlegen und sieht sich in Bedrängnis." Dessen Aussagen reichten aber nicht für eine Verurteilung. Es gelte in dem Fall "in dubio pro reo" (im Zweifel für den Angeklagten).

Die Verteidigung: Sie schließt sich den Ausführungen der Staatsanwältin an.

Das Urteil: Richter Josef Thul spricht die vier Angeklagten vom Vorwurf der Erpressung frei. Die Aussagen des Zeugen seien zu ungenau und widersprüchlich. Eine Verurteilung sei nur zulässig, wenn kein vernünftiger Zweifel mehr vorhanden sei.

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