Der ritterliche Ehrenberger und sein Waico

WITTLICH. Vor etwa 18, 19 Jahren mimte er zum ersten Mal eine der Hauptfiguren der folgenschweren Schlacht aus dem 14. Jahrhundert. Rolf Neuerburg fordert als Ritter von Ehrenburg immer im August: "Wittlicher, ergebt euch!"

Einmal hieß der Satz ein wenig anders. Da ist dem schlanken, stolzen Ritter ein "Wittlicher, übergebt euch!" entfleucht. Aus Versehen, darauf besteht er. Den ganzen Tag über hatten ihn die Kameraden aus dem Reitverein aufgezogen, er solle die legendäre Aufforderung im Säubrennerspiel doch einmal auf diese Weise vortragen. Nein, er habe das nicht gewollt, aber weil er stundenlang nichts anderes gehört habe, sei es ihm am Abend dann doch genau so rausgerutscht, erzählt Rolf Neuerburg. Damit hat er als Friedrich von Ehrenburg seinem Wittlich eine Anekdote geschenkt, die niemand mehr missen möchte. Er selbst wahrscheinlich auch nicht, schließlich gehört er zu den waschechten und hat sein ganzes Leben an der Lieser verbracht. Seit 1995 ist er den Pferden als Pächter des Reiterstübchens besonders nah. Geritten ist er immer gerne, und so können ihm die Widrigkeiten des Wetters nichts anhaben. Denn auch am dritten Augustwochenende ist man in Wittlich vor Regen und Hagel nicht sicher. "Vor zwei Jahren waren wir nass bis auf die Knochen", erinnert sich der siegreiche Ritter von Ehrenburg oder, wie es in anderen Quellen heißt, von Ehrenberg. Egal, nach dem historischen Spiel trotzdem die Pferde abgegeben in der Himmeroder Straße und am Belagerungstrunk teilgenommen - dann eben nass. Als Sieger um die belagerte Stadt, dem buchstäblich eine arme Sau unter die Arme gegriffen hat, diktiert der Ehrenberger dem Bürgermeister den Fortgang der Geschichte, und das geht so: "Zahlet den fälligen Tribut!" Dass der aus einem guten Tropfen Wein besteht, liegt auf der Hand. Einmal wurde es richtig gefährlich für den geübten Reiter und sein Pferd Waico, das ihm seit anderthalb Jahrzehnten an der Kirmes zur Seite steht. So wie Neuerburg jedes Wort seiner Rolle im Schlaf kennt, kennt Waico jeden Schritt. Dennoch rutschte er im vergangenen Jahr am Samstag nach dem Umzug böse aus. Als die ganze Versammlung auf dem Markt schon im Auflösen begriffen war, begrub er auf spiegelglattem Kopfsteinpflaster den Ehrenberger unter sich. "Das hätte böse ausgehen können", sagt Neuerburg, den der Rippenbruch und die saftigen Prellungen noch eine Weile beschäftigten. Doch frei nach dem Motto: "Was uns nicht tötet, härtet uns ab", wird er weiterhin aufs Pferd steigen, bestimmt noch ein paar Jährchen. Leo Kappes von der Stadtverwaltung habe ihm versprochen, auf die rutschigen Stellen neben der Bühne ein paar Gummimatten zu legen, um zukünftig Unfälle zu vermeiden. Neuerburg weiß auch, warum die Pferde seines Vereins - es machen neben ihm noch weitere Eroberer beim Spiel und beim Festumzug mit - nie durchdrehen. "Wir nehmen nur die ganz ruhigen, nervenstarken Tiere, meist schon die etwas älteren". Beruhigungsspritzen im Vorfeld sind für ihn absolut tabu. Null Medikamente, dafür steht der Ehrenberger mit seinem ritterlichen Ehrenwort.

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