Die Psychologen mit Kamm und Schere

Drei Meister und die "Obergesellin" sitzen zusammen, wenn sich Familie Ehlen trifft: Firmengründer Ignaz mit Frau Liselotte und ihre Töchter Stefanie und Dorothea, die den elterlichen Betrieb übernommen haben, der seit einem halben Jahrhundert besteht.

Wittlich. (sos)"Jeder hat mir abgeraten, aber ich habe mich nicht beirren lassen", sagt Ignaz Ehlen zu seinem Berufswunsch als kleiner Junge: Friseur. Zu Lehre radelte er noch von Kinderbeuern nach Reil, einen Namen gemacht hat er sich dann in Wittlich, wo er mit seiner Frau Liselotte das Wagnis einging, sich selbstständig zu machen. Zuerst in der Trierer Landstraße, seit 1962 dann mitten in der Stadt am Marktplatz. Die Immobilie barg böse Überraschungen. "Die Decken mussten raus, alles war hohl", erinnert sich Liselotte Ehlen. Sie habe damals gedacht: "Wenn wir das nur schaffen und gesund bleiben und arbeiten können!" Sie haben es geschafft, hatten über Jahre 20 Mitarbeiter, heute sind es ein Dutzend. Und wer vor einem halben Jahrhundert im Damen- oder Herrensalon Kunde war, bringt heute womöglich den Enkel "zu Ehlens". Seit 1994 führen die Töchter Stefanie und Dorothea den Betrieb. Wie schon ihren Eltern ist ihnen eine Harmonie von Mensch und Mode wichtig. "Und mit unserem Können wollen wir den jeweiligen Typ unterstreichen, das Optimale für den Kunden rausholen", sagt Stefanie Ehlen. Denn wer seinen Stil kenne, der könne sich besser zu sich selbst entwickeln, das wolle man fördern oder auch vorsichtig anregen. "Eine neue Frisur, dafür braucht man auch Mut. Dazu bieten wir Stilberatung, und die ist wichtiger denn je", sagt ihre Schwester Dorothea, "Und wir sind halbe Psychologen, müssen uns persönlich aber im Hintergrund halten können." "Ja. Das ist wichtig", sagt ihr Vater, "Der Kunde muss spüren, wer da hinter ihm steht, der steht auch zu ihm, mag ihn gerne und ist fachlich gut." Und das hieß und heißt für Ehlens, immer auf dem neuesten Stand zu sein. Die beiden jungen Meisterinnen bilden sich daher ständig fort, nicht nur in Sachen Haarschnitt oder Farbe, auch Marketing und Rhetorik sind Seminarthemen. Und neue Trends lässt man gleich am eigenen Kopf testen. So ging es einst auch der Mama, die bei einem Seminar ihrem toupierten Kopf adieu sagte und glatt gefönt retour kam. "Erst hat mich keiner erkannt, dann wollten viele den gleichen Schnitt", erinnert sich Liselotte Ehlen. Damals sei ganz exakt frisiert worden. Und manche Dame kam ein Mal in der Woche zum Friseur und wusch sich das Haar nicht bis zum nächsten Termin. Das Kunstwerk am Kopf musste eine Woche "halten". Das Auge des Profis erkennt auch immer noch, wenn jemand irrtümlich denkt, seine Frisur halte Monate. Ignaz Ehlen sagt: "Wenn ich zum Beispiel eine Bundestagssitzung sehe, denke ich manchmal: Manometer. Die und den, die müsste man mal stylen. Und man sieht ja den Effekt, etwa bei Frau Merkel." Und wenn er wieder ein Junge wäre, was wäre sein Berufswunsch?: "Natürlich Friseur, um den Menschen noch schöner zu machen."

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