Die hohe Kunst des Streitens

Wittlich · Der Wittlicher Kulturstreit lebt wieder auf: Die Georg-Meistermann-Gesellschaft echauviert sich wegen der jüngsten Ausstellung von Schreinereigesellenstücken in der Galerie im Alten Rathaus. Die Stadt hält die Ausstellungskombination dagegen für einen Erfolg.

Wittlich. Kommoden, Tische und Türen, allesamt Gesellenstücke junger Schreiner aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich, haben vier Tage lang zwischen Werken von Georg Meistermann im Alten Rathaus in Wittlich gestanden. Die handwerklichen Ausstellungsstücke sind wieder verschwunden, haben allerdings in Wittlich eine neue Kulturdebatte entfacht: Aus Sicht der Georg-Meistermann-Gesellschaft haben die aufgestellten Möbelstücke in "verantwortungs- und rücksichtsloser Art und Weise zahlreiche Meistermann-Werke in den Hintergrund gerückt."
Der Ton zwischen den Meistermann-Fans und der Stadt Wittlich ist schon seit längerem rau. Der Wittlicher Kulturstreit, bei dem es im Kern um die historische und künstlerische Einordnung des Wittlicher Bildhauers Hanns Scherl und einer Ausstellung seiner Werke zusammen mit denen Meistermanns ging, kostete am Ende den Kulturamtsleiter den Posten, das damalige Meistermann-Museum seinen Namen und endete mit juristischen Auseinandersetzungen (siehe Extra). Drei Jahre ist das jetzt her.
Doch die alten Wunden scheinen noch nicht verheilt. Die Handwerksausstellung, die es bereits vor einem Jahr erstmals an gleicher Stelle gab, hat offenbar das Fass zum Überlaufen gebracht. Für Hans-Jörg Krames, Sprecher der Georg-Meistermann-Gesellschaft, ist nicht nachvollziehbar, wie "die Schreinerarbeiten völlig beziehungslos zu den Originalwerken von Georg Meistermann präsentiert, und diese teilweise so zugestellt werden konnten, dass nur noch marginale Reste der Meistermann-Werke zu sehen waren."
Zu Wort meldet sich auch Justinus Maria Calleen, Ex-Kulturamtsleiter und Meistermann-Enkel. Schon die Schreinerausstellung im vergangenen Jahr habe "in ihrer chaotischen Konzeption wie eine krude Abstell- und wüst bestückte Rumpelkammer" gewirkt. Calleen fordert für alle städtischen Ausstellungen und damit auch für die Schreinerausstellungen ein sorgfältig ausgearbeitetes Konzept, das die Werke und den Ort "in angemessener Form respektiert."
Die Stadt weist die Rüge von sich. Sie hält die Vorwürfe der Meistermann-Gesellschaft für nicht nachvollziehbar. Selbst die Begutachtung und Bewertung der Schreinergesellenstücke durch die Prüfer der Kreishandwerkerschaft Bernkastel-Wittlich, bei denen Pläne ausgelegt und Möbelstücke vorübergehend verschoben worden seien, habe die Meistermann-Werke nicht rücksichtslos in den Hintergrund gerückt, stellt Büroleiter Rainer Stöckicht fest. Die Gesellenstücke hätten gerade durch die Werke Meistermanns "eine besondere Ausstrahlung" erhalten. "Von verstörten oder irritierten Besuchern, denen die Präsentation völlig unbegreiflich war, ist uns nichts bekannt", erklärt Stöckicht. 360 Menschen hätten die Ausstellung besucht. Der Erfolg spreche für sich.
Doch nicht nur die Ausstellung, auch der Name der Galerie sorgt bei der Georg-Meistermann-Gesellschaft plötzlich erneut für Unmut. Sprecher Krames erklärt unter Verweis auf die neue Internetseite des Kulturamtes, der Anspruch, das Alte Rathaus weiterhin als Städtische Galerie für moderne Kunst zu bezeichnen, sei von der Stadt offensichtlich aufgegeben worden, immerhin sei die alte Bezeichnung dort nicht mehr aufgeführt. Die Stadt widerspricht. "Die offizielle Bezeichnung Altes Rathaus - Städtische Galerie für moderne Kunst besteht weiterhin. Diese befindet sich nun einmal im Alten Rathaus", erklärt Stöckicht. Bereits seit November 2010 werde für Veröffentlichungen die Bezeichnung Galerie im Alten Rathaus verwendet.
Auf Streitereien nicht einlassen will sich die Schreiner-Innung. Auf Anfrage teilt sie knapp mit, man freue sich, dass die Ausstellung der Gesellenstücke mit Unterstützung der Stadt Wittlich im Alten Rathaus eine öffentliche Plattform habe.Meinung

Alles dreht sich um alten Ärger
Ja, man kann schon darüber streiten, ob die Aufstellung der Gesellenstücke jetzt ästhetisch, in irgendeiner Weise ansprechend oder überhaupt wohlüberlegt daherkommt - oder eben nicht. Aber ganz ehrlich: Darum geht es hier doch gar nicht. Vor drei Jahren hatte man die Hoffnung, dass der ganze Zoff jetzt zur Geschichte wird. Zur - zugegeben - eher unrühmlichen gemeinsamen Geschichte der Stadt und der Georg-Meistermann-Gesellschaft. Damals ging es auch um politische Fragen und um Grundsätze, die aber eigentlich längst ausdiskutiert sind. Übrig geblieben sind heute nur noch persönliche Antipathien, und das Rumreiten auf den alten Befindlichkeiten. Das wirft ein schlechtes Licht auf die Kulturarbeit in der Stadt und ist schade für Wittlich. e.blaedel@volksfreund.deExtra

Auslöser des Wittlicher Kulturstreits war eine Ausstellung, bei der Werke des Künstlers Hanns Scherl gezeigt werden sollten. Dem wurde die Nähe zum Nationalsozialismus nachgesagt. Justinus Maria Calleen als Kulturamtsleiter war gegen die Ausstellung. Der Stadtrat strich die Stelle des Kulturamtsleiters, Calleen zog vor Gericht, man einigte sich auf einen Vergleich. Das Museum im Alten Rathaus, das früher nach Georg Meistermann benannt war, wurde umbenannt. hpl/eib

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