Dorflehrer zu versteigern

PANTENBURG. Aus Pantenburg ist eine Episode überliefert, die interessante Einblicke in das dörfliche Umfeld des 19. Jahrhunderts gibt, als die Pädagogen noch als "arme Dorfschullehrer" bezeichnet und von den Ortsbewohnern entlohnt werden mussten. Der Winterlehrer des Jahres 1873/74 hat seine Erinnerungen niedergeschrieben:

Kaum hatte ich im Herbst 1873 das Aspirantenzeugnis erhalten, so schickte mich die Schulinspektion nach Pantenburg als Winterlehrer. Ich machte mich mutig auf den Weg nach dem mir gänzlich unbekannten Pantenburg. ... Gegen Abend war Pantenburg dann erreicht. Wir gingen zum Ortsvorsteher. Durch die große Küche mit hell brennendem Herdfeuer traten wir in die Stube. Der Vorsteher saß mit seinem Hut auf dem Kopfe und der Pfeife im Munde am Tische. Er las mein Schreiben, stand auf und nahm aus der Stubenecke einen eigenartigen Stab. ... Er übergab diesen Stab seinem Knechte, der sich damit entfernte und ihn im nächsten Hause abgab. Von dort musste der Stab sofort weitergegeben werden; und so ging er von Haus zu Haus, bis er nach kaum einer Viertelstunde wieder beim Vorsteher ankam. Dieser Stab rief zur Gemeindeversammlung, zum "Thing"; und so wurde er "Thingstab" genannt. Der Ortsvorsteher nahm mich mit in die Versammlung ... im kahlen Saal des Dorfwirtshauses. Die Männer hatten den Hut tief ins Gesicht gezogen, ein dickes Schaltuch um den Hals und den sogenannten "Hanebüchen"-Kittel an. Sie rauchten und dabei spuckten sie im Bogen auf den Boden. Da Dämmerung herrschte, sah ich nur undeutlich die vermummten Gestalten. Mir wurde ängstlich zu Mute. Endlich sagte einer: "Das ist ein kleiner Kerl." Es folgte eine unheimliche Stille. Dann ein anderer: "Das ist ein gläsbares Männchen." Wieder minutenlange Stille. Bis ein Dritter meldete: "Es ist nicht viel mit ihm." Meine Angst vergrößerte sich; kalter Schweiß trat mir auf die Stirn. Ein Nachzügler kam herein, ebenso vermummt wie die Übrigen. Und nun fing der Vorsteher an: Jetzt seid ihr alle da. Ich habe der Gemeinde zu sagen: Die reichen Leute haben diesmal die Schweine (das heißt den Schweinehirt des Dorfes zu entlohnen) und die armen die Kinder. Und so muss der Schweinehirt bei den Reichen essen gehen und der Lehrer bei den Armen. Aber das geht doch nicht.. Auch der Herr Pastor will das nicht haben. Deshalb schlage ich etwas Neues vor; wir wollen den Lehrer versteigern. Wer ihn am billigsten hält, der bekommt ihn!‘" Mir wurde grün und gelb vor Augen, sodass man mich zur Wirtsfrau hinbrachte, die mir mit einer Tasse Kaffee wieder aufhalf. Sehr bedrückt kehrte ich in die Versammlung zurück. Die Versteigerung war schon vorüber. Einer hatte mich für 20 Taler und zwei Haufen Reiser gesteigert. ....Der Winter in Pantenburg ging rasch vorüber. Die Kinder lernten fröhlich, und das Wenige, was ich ihnen an Erdkunde und Weltgeschichte beibringen konnte, wurde vom ganzen Dorfe mit Spannung verfolgt. Zu Ostern bekam ich vom Schulvorstand 20 Taler bares Geld und ein schönes Zeugnis. ...Ich knüpfte das Geld ins Taschentuch, tat meine wenigen Sachen wieder ins rote Sacktuch und wanderte zu Tal. Wieder der Heimat zu! Wenn auch Sie eine historische Anekdote kennen, den Namen eines Hauses oder einer Straße erklären können oder zu einem historischen Ereignis eine persönliche Geschichte zu erzählen haben, schreiben Sie unter dem Stichwort "Stadtgeschichten" mit Namen, Adresse und Telefonnummer an die E-Mail-Adresse mosel@volksfreund.de. Wichtig ist, dass Ihre Geschichte höchstens 60 Druckzeilen (à 30 Anschlägen) umfasst.

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