Durch die grüne Hölle

Die erste Dampflok fuhr 1835 von Nürnberg nach Fürth. Bereits am 6. Mai 1900 fährt "dat Binselder Bähnchen", eine 75-er Schmalspurbahn, die Strecke von Binsfeld nach Phillippsheim. Binsfeld hat den Anschluss an die große Welt. Jetzt wanderten mehr als 60 Teilnehmer auf den Spuren der stillgelegten Bahntrasse.

 Matthias Schommer, ehemaliger Zugführer des Binsfelder Bähnchens, bimmelt die Glocke seiner Lok. TV-Foto: Werner Klein

Matthias Schommer, ehemaliger Zugführer des Binsfelder Bähnchens, bimmelt die Glocke seiner Lok. TV-Foto: Werner Klein

Binsfeld. Die Hauptaufgabe dieser Kleinbahn war ehemals die Beförderung von Tonerde, Ziegelei-Erzeugnissen, Kohle und die Anlieferung von Händlerware für Hausierer der Region. Der Personenverkehr wurde 1936 eingestellt, doch nach dem Zweiten Weltkrieg für kurze Zeit wieder aufgenommen. Die letzte Fahrt des Bähnchens war im August 1965. Auch Klara Liewer (83) und Jakob Born (80) wandern mit. Sie erinnern sich noch an die Fahrt mit dem Bähnchen zum Heiligen Rock bis nach Phillippsheim, mit Umsteigen auf Normalspur der Reichsbahn nach Trier. Matthias Schommer (78), aus Arenrath ist ehemaliger Bähnchen-Zugführer. Er nutzt die Wanderung, um einige Anekdoten aus der Zeit der alten Bahnstrecke zu erzählen. Doch zuvor bimmelt Schommer die alte Glocke seiner Schmalspurlok, knipst wie früher Tickets mit Loch und Datum, auch wenn die Fahrt heute mit zwei Bussen zum Ausgangsort der Wanderung, an den ehemaligen Bahn-Haltepunkt Dudeldorf, Abzweigung Beilingen/B 50 geht.124 Meter Höhenunterschied

Bald schon fängt Zugführer Schommer an zu erzählen: Ein Höhenunterschied von 124 Meter von Binsfeld abfallend nach Philippsheim musste auf der Rückfahrt schnaufend und stampfend überwunden werden. Für eine schnellere Spritztour stand der "Hund" zur Verfügung."Dän gung ab", sagt Schommer. "Der Hund" war ein kleiner Wagen ohne Antrieb, der auf der abfallenden Strecke von Binsfeld nach Phillippsheim sauste. Matthias Schommer erzählt: "Der stellvertretende Betriebsleiter Rudolf Simon hatte in jungen Jahren eine Freundin in Phillippsheim. Er fuhr mit dem "Hund" nach Phillippsheim und strampelte mit dem Fahrrad zurück nach Binsfeld. "Später stand in großen Lettern auf dem ,Hund' ,Freier Wagen für Simon!'"Dann erzählt Schommer von der Sommerhitze in der "Höähll", der Hölle in einem Talkessel. Hier kam es immer wieder durch stark aufgestaute Hitze zu Gleisverwerfungen, die mit Wasser aus einem nahen Bach abgekühlt wurden, um dann die Spur zu richten. Löschwasser spielte auch eine Rolle bei Bränden durch Funkenflug im Kammerforster Wald. Das Gegenteil brachte der Winter mit überaus starken Schneefällen zu jener Zeit. Stundenlanges Freischaufeln der Strecke war nicht selten, erzählt "Matthi" wie der ehemalige Zugführer auch genannt wird. Mit ihm fuhr noch Matthias Kröschel, der Großvater des heutigen Bürgermeisters Lothar Herres. Kröschel habe "in allen schwierigen Situationen mit dem Bähnchen immer eine Lösung gewusst", sagt Schommer. Große Bedeutung erhielt die Kleinbahn in der Bauzeit des Flugplatzes Spangdahlem. Tag und Nacht fuhren Schommer und seine Kollegen Zement und Baumaterial von Phillippsheim hinauf nach Binsfeld. Nach der einstündigen Wanderung gab es bei Kaffee und Kuchen in der Saalholzhalle einen Videovortrag von Bürgermeister Herres über die Restaurierung der Lok und die schwierige Finanzierung. Eisenbahnfreunde finden in der Saalholzhalle eine umfangreiche Ausstellung alter Bilder, Urkunden und Pläne zum Thema "Binsfelder Bähnchen."

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