Ein Stück Geschichte

Genau vor 50 Jahren, am 31. August 1957, war sie bezugsfertig, "die Siedlung" in Hetzerath, die später den Namen "Erlenring" erhielt. 22 Familien, die in und nach dem Zweiten Weltkrieg unfreiwillig ihre Heimat verlassen mussten, fanden in den 14 Häusern ein neues Zuhause.

 Leben seit der ersten Stunde in der Hetzerather Siedlung „Erlenring“: Heinrich Plitzko, Georg Woitalla, Zita Hartinger und Marianne Woitalla (von links). TV-Foto: Nina Ebner

Leben seit der ersten Stunde in der Hetzerather Siedlung „Erlenring“: Heinrich Plitzko, Georg Woitalla, Zita Hartinger und Marianne Woitalla (von links). TV-Foto: Nina Ebner

Hetzerath. Ganz plötzlich - von einem Tag auf den anderen - waren sie Nachbarn. 22 Familien, die sich untereinander nicht kannten und meist auch den Ort nicht, an dem sie sich genau heute vor 50 Jahren, am 31. August 1957, niederließen. Eins jedoch hatten sie gemeinsam: Sie hatten schwierige Jahre hinter sich, waren in oder nach den Jahren des Zweiten Weltkriegs aus ihrer Heimat vertrieben worden - aus den ehemaligen deutschen Gebieten, dem heutigen Ungarn, Jugoslawien, Rumänien sowie Ostpreußen, Schlesien, Oberschlesien, Mecklenburg-Vorpommern und aus dem Sudetengau. "Wir hatten alle das gleiche Schicksal", sagt Zita Hartinger, die damals als 34-Jährige mit ihrer Mutter und Schwester in die Hetzerather "Siedlung" einzog. Und sie waren alle froh, nach der Zeit des Herumirrens und der Heimatlosigkeit endlich ein Zuhause zu finden. Heinrich Plitzko, der mit 30 Jahren in Hetzerath endlich wieder ein Heim fand, erinnert sich, dass es für die 14 Häuser "viel mehr Bewerber als Wohneinheiten" gab. Berücksichtigt wurden damals vor allem Familien mit reichlich Nachwuchs: In den Anfangsjahren spielten 33 Kinder in der "Siedlung", die eigentlich nur aus einer Straße bestand. Kurios: Die wurde in den 70er Jahren in "Erlenring" umgetauft, obwohl in der Straße keine Erlen, sondern Linden stehen. Meist teilten sich zwei Familien die 108 Qua-dratmeter große Wohnfläche und das dazugehörige einen Morgen große Land.Keiner hatte mehr als 1,50 Euro Stundenlohn

Die Heimatvertriebenen hatten zu Anfang nicht viel Geld - "keiner hatte mehr als 1,50 Euro Stundenlohn", sagt Hartinger - deshalb nutzten sie das Land zur Selbstversorgung: Kühe, Schweine und Hühner wurden gehalten. Die Konditionen für den "Häuslekauf" waren fair, sagt Plitzko. Die Käufer konnten den Preis über 30 Jahre beim Siedlungsträger, der "Siedlungsgesellschaft Rheinland-Pfalz", abbezahlen.Doch so schön es für die Heimatvertriebenen war, endlich wieder ein Zuhause zu haben - in den ersten Jahren war nicht alles eitel Sonnenschein. "Besonders für die Jugend war es am Anfang nicht leicht", sagt Marianne Woitalla, die als 19-Jährige mit ihrem Mann und seiner Familie in die Siedlung einzog, "besonders im Ort haben die Mädchen befürchtet, dass die Siedlungsmädels ihnen die Jungs wegschnappten." Die Sonderrolle der neuen Hetzerather legte sich aber nach und nach. "Inzwischen sind wir nicht mehr isoliert, sondern vollständig integriert", sagt Plitzko. Zehn Familien leben noch im Erlenring, die schon seit der ersten Stunde dabei sind. Aus den ehemals 14 Häusern sind inzwischen 22 geworden, viele wurden erweitert und bieten heute mehr Platz. Inzwischen lebt in ihnen schon die vierte Generation, die Hetzerath ihre Heimat nennen. 135 Besucher, die selbst oder deren Angehörige entweder im "Erlenring" gelebt haben oder immer noch leben, kamen zur Feier des 50-jährigen Bestehens der "Siedlung" zusammen. "Die Erinnerung an die Heimat ihrer Vorfahren wird in den Erzählungen der Großeltern wachgehalten", betonte Hetzeraths Ortsbürgermeister Otmar Mischo in seiner Festansprache, "in der Geschichte des Erlenrings wird uns also auch ein Stück deutscher Geschichte vor Augen geführt."

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