Ein Stadtrats-Rätsel

Die alte Eisenbahnüberführung über die B 50 in Wengerohr soll nicht von der Stadt Wittlich übernommen werden. Das hat die Ratsmehrheit nach einer ausufernden Debatte beschlossen.

Wittlich. Keine vernünftige Verwendungsmöglichkeit sieht die Ratsmehrheit (CDU, FDP) für die frühere Eisenbahnüberführung in Wengerohr. Genauso hat auch der Ortsbeirat Wengerohr entschieden. Dennoch hatten sich Ratsmitglieder von SPD, FWG, Grüne für eine Übernahme der Brücke stark gemacht. Ihr Argument: Man könne sie für Fußgänger und Radfahrer als gefahrlose Überquerung der B50 nutzen.Auch könne niemand sagen, wie hoch wirklich die Kosten seien, falls man das Bauwerk übernehme und man wisse nicht, ob die Brücke abgerissen würde, wenn man sie nicht haben wolle. Insbesondere Ratsmitglied Josef Baller, SPD, hatte viel telefoniert, um die offenen Fragen, die nach Ansicht der "Pro-Brücken-Fraktionen" noch bestanden, zu klären. Er kritisierte, im vorberatenden Bauausschuss habe die Verwaltung eine Beschlussempfehlung vorgelegt, die "wenig fundiert" sei und "Schwarzmalerei" betreibe. Auch im Ortsbeirat seien die Folgen einer Übernahme sehr negativ dargestellt worden. Bürgermeister Ralf Bußmer fragte Ortsvorsteher und CDU-Fraktionsvorsitzenden Theodor Brock, ob er den Eindruck habe, dass die Ortsbeiratsmitglieder "unter härtesten Bedingungen genötigt wurden" sich gegen die Brückenübernahme zu entscheiden. "Absolut nicht", meinte Theodor Brock. Karl Daus, Stadtverwaltung, habe "die Sache ordnungsgemäß vorgetragen". Josef Baller wiederum erklärte, er habe sich bei der Bahn erkundigt und erfahren, dort sei der Stein erst jetzt ins Rollen gekommen, man wolle ein Wertermittlungsgutachten erarbeiten. Außerdem könne eventuell das Gleis 1, das früher nach Wittlich reichte, übernommen werden, so dass eine Wegeführung vom bereits derzeit nicht genutzten Gleis von der Eifelstraße bis zur Brücke möglich wäre. Damit sei widerlegt, die Einbindung des Brückenbauwerks in ein Verkehrskonzept sei nicht möglich. Als Hans-Jörg Krames, Grüne, fragte, ob es theoretisch möglich sei, "dass wir das Teil in Gänze bekommen" (Brücke und Gleis), antwortete der Bürgermeister nicht, sondern er sagte, wie bereits bei einer anderen Nachfrage: "Wenn der Herr Baller antworten wolle?"Letztendlich kam der Bürgermeister dann zum Punkt: "Ein sehr gutes Engagement, wenn man sich so umfangreich informiert. Aber sie gehen davon aus, dass das Gleis 1 nicht genutzt wird. Das ist falsch." Zuständig bei der Bahn sei nicht der von Herrn Baller befragte "Herr Kupfer" sondern die Anlagengesellschaft in Frankfurt: "Heute morgen haben wir ein Schreiben erhalten. Daraus geht klar hervor: Das Gleis ist nicht entbehrlich." Man sei bei der Stadt immer davon ausgegangen, dass man das Gleis nicht bekommen könne.Karl Daus, Stadtverwaltung, zeigte nun eine Bild-Präsentation und erklärte, die Bahn nutze das Gleis als "Durchrutschweg".Alsdann wurde auf Antrag von Reinhold Westhöfer, CDU, die Diskussion abzubrechen und abzustimmen, beendet. Nach der Abstimmung verwies Dieter Burgard, SPD, darauf, es müssten die noch zu Wort kommen, die sich bereits für Redebeiträge gemeldet hatten, als die CDU den Antrag auf Diskussionsabbruch gestellt hat. So durften Dieter Burgard und Joachim Gerke, beide SPD, noch ihre Fragen an Karl Daus stellen. Es wurde nicht erneut über die Brückenübernahme abgestimmt. Meinung Machtspielchen statt Aufklärung Die Debatte über die alte Brücke hätte verkürzt werden können, wenn die Stadtverwaltung ihre neuesten Erkenntnisse direkt vorgetragen hätte. So hatte man den Eindruck, man habe insbesondere SPD-Ratsmitglied Josef Baller bewusst vorführen wollen, um am Schluss mit Herrschaftswissen vom Tage aufzutrumpfen. Josef Baller hat öffentlich die Infopolitik der Verwaltung kritisiert. Der Sitzungsablauf gab ihm Recht. Die neue, wichtige Information der Verwaltung zum Sachverhalt, die nicht in der Beschlussvorlage stehen konnte, weil sie erst am Sitzungstag schriftlich einging, wurde bis zuletzt im Rat zurück gehalten und damit für ein Machtspielchen benutzt. Hätte die Verwaltung einfach voran gestellt, es gebe neue entscheidungsrelevante Dinge, wäre Ruhe im Karton gewesen. Das wäre eine "vertrauensbildende Maßnahme" gewesen und hätte die Kritiker vielleicht besänftigt. Auch über die Deutsche Bahn muss man sich wundern, die zu einem Thema unterschiedliche Aussagen trifft. s.suennen@volksfreund.de

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