Ein einziger genauer Blick

WITTLICH. Auch wenn das Gebäude, in dem die NPD in Gonzerath ein Schulungszentrum eröffnen wollte, nun wieder im Besitz der Gemeinde ist – das Thema "Rechtsradikalismus" bleibt trotzdem aktuell. Die Duale Oberschule (DOS) in Wittlich setzt deshalb auf präventive Projekte gegen Rechtsextremismus.

"Scheiß Ausländer!" und "Verpiss dich, du Ausländer!" Sätze, die nicht in Hoyerswerda gefallen sind. Auch nicht in irgendeinem anderen Ort in den neuen Bundesländern. Diese Parolen wurden in Wittlich und Umgebung skandiert. Gemeint waren damit zum Beispiel Schüler der Dualen Oberschule in Wittlich. Schüler wie der dreizehnjährige Sebastian, der mit seinen schwarzen Locken, braunen Augen und seinem dunklen Teint wohl ins rassistische "Beuteschema" passt. Warum er von den Rechtsradikalen angepöbelt worden ist, kann er sich nicht richtig erklären. "Ich habe keine Ahnung, warum die das zu mir gesagt haben. Ich habe doch gar nichts gemacht." Verschiedene Projekte an der DOS sollen Schülern wie ihm helfen, zu verstehen, dass sie keine Schuld trifft. Dass es ausreicht, in den Augen der Rassisten anders zu sein, um angegriffen zu werden. "So was wie ,scheiß Türken' hört man schon öfter. Solche Leute können ihre Wut eben nicht anders ausdrücken", sagt Mike (17). "Ja, und dann gehen sie an die nächste Ecke einen Döner essen", fügt Ramona (16) hinzu. Rassismus birgt eben keine Logik. Stammtischparolen in den Dörfern

Einig sind sich die Schüler, dass sich die Situation in der Stadt Wittlich in den letzten Jahren verbessert hat - im Gegensatz zu den umliegenden Dörfern. Das haben Ramona und ihre Eltern zu spüren bekommen. "Ich bin adoptiert", sagt sie, "da mussten sich meine Eltern Sprüche anhören wie: ,Was ist das denn für ein Kind?'" Nur, weil ihre Hautfarbe ein bisschen dunkler ist als die anderer Kinder. "Da hört man oft solche Stammtischparolen von Leuten, die überhaupt nicht so aussehen, als wären sie Nazis." Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund, die politisch motiviert sind, gab es im vergangenen Jahr laut Polizeiinspektion Wittlich in ihrem Bereich nicht. Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall, wenn deutsche Schüler als "Kartoffeln" oder "Nazis" beschimpft werden. Dass er ein Nazi sei, hört Philipp (16) "fast tagtäglich". Da reichen Springerstiefel, um in die rechte Ecke gedrängt zu werden. Den Irrtum klarstellen - das hat er längst aufgegeben. "So viel Zeit habe ich gar nicht, den Leuten zu erklären, was ein Punk und was ein Nazi ist." Ein einziger genauer Blick würde reichen, um zu erkennen, dass die Buttons auf seiner Jacke zeigen, dass er gegen Nazis ist. Ein genauer Blick kostet aber Zeit, ein Klischee nicht. Um ein solches zu bestätigen, reicht schon ein oberflächlicher Blick. Schulsozialarbeiter Oswald Steines möchte die Schüler dazu anregen, eben das zu tun: genau hinzusehen, tolerant zu sein und andere Menschen nicht zu diskriminieren. Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass in der DOS Wittlich Schüler aus 19 verschiedenen Nationen unterrichtet werden: von Togo bis Ghana, von Vietnam bis Kasachstan. "Rassismus gibt es in jeder Kultur", sagt er. Dabei habe es keinen bestimmten Vorfall an der Schule gegeben, der ihn dazu ermuntert hat, Rechtsradikalismus zu thematisieren. "Auch im Landkreis Bernkastel-Wittlich ist die rechte Jugendszene nicht untätig. Aber durch ihr Äußeres können sie nicht entlarvt werden, weil sie nicht als Rechte erkennbar sind." Projekttage wie der des "Netzwerks für Demokratie und Courage" sollen helfen, die Schüler für die subtilen Methoden der Rechten zu sensibilisieren. Steines denkt, dass auch die Schüler der DOS besonders gefährdet sein können, in die Fänge der rechten Szene zu geraten. "Das Bild, das Hauptschülern von außen von sich selbst vermittelt wird, ist doch ein gefundenes Fressen für Rechte. Die suggerieren dann, dass sie Hilfe bieten können." Besonders stolz sind er und seine Schüler aber auf ein anderes Projekt: In ihrer Freizeit haben sie den Film "Gesicht zeigen" gedreht, in dem die Schüler sich gegen Rassismus und Diskriminierung stellen.

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