Ein kleiner Eisbär geht auf Reisen

Trier/Marktheidenfeld · Eine Frau und ihr Werk über einen kleinen Eisbären: Mit der Illustration des russichen Märchens "Umka" hat sich Irina Link einen Kindheitstraum erfüllt. Doch damit nicht genug. Die Studentin ist als eine der 21 Finalisten für den "Meefisch" nominiert worden. Der Sieger für das beste bislang unveröffentlichte Bilderbuch wird am 5. Dezember im Kulturzentrum Franck-Haus in Marktheidenfeld bekanntgegeben. Bis dahin heißt es zittern und hoffen.

 Die Sonne ist ein gelber Fisch, der von einem schwarzen Hai gefressen wird. Umka verbringt die ersten Tage mit seiner Mutter in einer Höhle. Hier die ersten Entwürfe zu dieser Szene.

Die Sonne ist ein gelber Fisch, der von einem schwarzen Hai gefressen wird. Umka verbringt die ersten Tage mit seiner Mutter in einer Höhle. Hier die ersten Entwürfe zu dieser Szene.

Foto: (h_st )

Trier/Marktheidenfeld. Als über dem russischen Dorf Wolgograd die Nacht einbricht, können es ein kleines Mädchen und ihr älterer Bruder kaum erwarten, schlafen zu gehen. Denn für die beiden bedeutet das, dass ihre Mutter ihnen noch ein Lied vorsingt. Mit großen Augen und unter dicken Bettdecken eingepackt, warten die Geschwister, dass ihnen die Frage der Fragen gestellt wird: "Was wollt ihr denn hören?" Aus einem Mund antworten die beiden: "Das Lied aus dem Trickfilm Umka." Gebannt hören sie ihrer Mutter zu, wie sie auf Russisch die Titelmelodie des Märchens singt. Glücklich und zufrieden schlafen die beiden ein.
Die Gegenwart: Eine junge Frau malt mit Aquarellfarben einen kleinen Eisbären. Er stellt sich die Sonne als gelben Fisch vor, der in einem blauen weiten Meer schwimmt und nachts von einem schwarzen Hai gefressen wird. Während sie einen Strich nach dem anderen setzt, summt sie die Melodie des Trickfilms "Umka". Irina Link, das kleine Mädchen aus dem russischen Dorf an der Wolga, ist mittlerweile 26 Jahre alt, studiert an der Hochschule Trier Kommunikationsdesign und hat die Abenteuer von Umka dem Eisbären auf Papier zum Leben erweckt. Als sie sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit für ein Thema entscheiden muss, ist die Entscheidung schnell getroffen. Link möchte die Geschichte von Umka, der 1969 von Jurij Jakowlew erdacht wurde, illustrieren und den Text aus dem Russischen übersetzen: "Ich habe mir immer gewünscht, meine Kindheitserinnerungen mit anderen Kindern teilen zu können", erzählt Link. "Nun ist mein Traum endlich wahr geworden."
Zwei Tage lang denkt sie nach, wie sie die Szene mit dem Fisch malen soll. Zwischendurch verwirft Link ihre Entwürfe und fängt noch mal von vorne an.
Etliche Nachtschichten legt sie für das 32-seitige Werk ein. "Konzipieren, skizzieren und gestalten - das alles hat ziemlich viel Zeit in Anspruch genommen. Irgendwann bin ich mir wie eine Nachteule vorgekommen", erzählt sie und lacht. Fünf Monate später ist ihr Werk vollendet. Sie reicht es auf Anraten ihrer Professorin Henriette Sauvant beim Bilderbuchillustratorenpreis "Der Meefisch" der Stadt Marktheidenfeld (Unterfranken, siehe Extra) ein - einer Auszeichnung für das beste bislang unveröffentlichte Bilderbuch und schafft es unter die Top 21. Für die 26-Jährige eine große Ehre: "Ich hätte niemals gedacht, dass ich es so weit schaffen würde. Wie gut, dass mich Professor Sauvant davon überzeugt hat." Bis zum 5. Dezember heißt es bibbern, zittern und hoffen. Doch selbst wenn der Preis nicht an Link gehen sollte, hat sich ihre Arbeit jetzt schon gelohnt. Zwei Aquarellzeichnungen hängen im Kulturzentrum Franck-Haus in Marktheidenfeld und zeigen Ausschnitte von Umkas Abenteuern - und sind für jeden gut sichtbar.
Vor allem für die jüngeren Gäste. Damit sich diese nicht extra recken und strecken müssen, sind alle 21 Auszüge der Finalisten auf Augenhöhe gehängt worden. "Wenn die Kleinen Umka mögen, habe ich für meinen Begriff schon gewonnen", sagt Link.
Weil ihr die Wahl zwischen vielen Bildern schwerfiel, gab sie ihrer Mutter einige Auszüge mit. "Sie arbeitet in einem Kindergarten. Genau das richtige Publikum", erzählt die Studentin. Doch was ist eigentlich das Besondere an Umkas Geschichte, das jedem russischen Kind geläufig ist? "Die Geschichte erklärt die Lebensart sowie den Lebensraum der Eisbären", erklärt Link. Zudem kenne Umka die Außenwelt noch nicht, da er mit seiner Mutter die ganze Zeit in einer Höhle lebt.
"Als er aber im Frühling endlich raus darf, muss er erkennen, dass die Dinge nicht so sind, wie er sie sich vorgestellt hat. Das hält ihn aber nicht davon ab die Umgebung auf eigene Faust zu erkunden." Wie es sich in einer neuen Umgebung, sogar in einem neuen Land anfühlt, weiß die 26-Jährige ganz genau. 2002 zieht sie mit ihrer Familie von Russland nach Deutschland - und lässt die Weiten ihres Heimatlandes hinter sich. "Ich war 13", erinnert sie sich.
Eine genaue Vorstellung von Deutschland hat Link nicht und ist daher gespannt, was sie in der Fremde erwartet. "Irgendwie haben mich die deutschen Dörfer an weihnachtliche Abbildungen erinnert - malerisch, ordentlich, akkurat", sagt sie. Wie aus einem Märchen.
Die Sprache zu lernen, fällt ihr nicht besonders schwer. Anschluss findet sie schnell. Doch nach kurzer Zeit merkt Link, dass sie ihre Freunde und das gewohnte Umfeld vermisst - sie bekommt Heimweh. Um ihren Umzug besser verarbeiten zu können, fängt sie an zu malen: Märchenfiguren aus den Geschichten von Hans Christian Andersen und Umka, den kleinen Eisbären. Die Figuren nehmen ihr die Sorgen und Ängste, so dass sie bald wieder fröhlich ist. Links Zeichnungen bleiben der Mutter nicht verborgen. Sie erkennt das Talent ihrer Tochter und schickt sie zum Zeichenunterricht.
Durch ihren Lehrer führt Links Weg später an die Hochschule Trier: "Er gab mir den Tipp nach Trier zu gehen, wenn ich kreativ arbeiten möchte." So beginnt sie ihr Kommunikationsdesign-Studium. Während eines Auslandaufenthaltes in der Slowakei lässt sie sich von der Welt der Märchen inspirieren. Am Fuße der Bronzestatue von Hans Christian Andersen in Bratislava malt sie seine Figuren: "Das hässliche Entlein", "Die Schneekönigin", "Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern". "Seine Märchen sowie russische Trickfilme haben mich geprägt. Es ist wirklich schön diesen nostalgischen Erinnerungen, die ich aus meiner Kindheit habe, Leben einzuhauchen", sagt sie.
Mit Umka teilt sie bereits eine dieser Erinnerungen. Ob Auszeichnung oder nicht - Link hat ihren Traum, Umka zu illustrieren, verwirklicht. So kann sie ihren Kindern später aus ihrem Werk vorlesen, ihnen die Bilder zeigen und vielleicht sogar die von ihr geliebte Titelmelodie vorsingen.Extra

 Endlich darf der kleine Eisbär raus und muss erkennen, dass die Sonne gar kein gelber Fisch ist. Voller Neugier erkundet er die Umgebung und trifft einen Jungen, mit dem er sich anfreundet.

Endlich darf der kleine Eisbär raus und muss erkennen, dass die Sonne gar kein gelber Fisch ist. Voller Neugier erkundet er die Umgebung und trifft einen Jungen, mit dem er sich anfreundet.

Foto: (h_st )
 Dieser Junge wohnt in einem Dorf ganz in der Nähe des Bärenbaus. Inspiriert wurde die 26-Jährige durch einen Freund, der dem kleinen Menschenjungen ähneln soll. TV-Fotos (3): Irina Link

Dieser Junge wohnt in einem Dorf ganz in der Nähe des Bärenbaus. Inspiriert wurde die 26-Jährige durch einen Freund, der dem kleinen Menschenjungen ähneln soll. TV-Fotos (3): Irina Link

Foto: (h_st )
 Irina Link zeigt voller Stolz die gebundene Ausgabe ihres Werkes „Umka“. TV-Foto: Monika Pradelok

Irina Link zeigt voller Stolz die gebundene Ausgabe ihres Werkes „Umka“. TV-Foto: Monika Pradelok

Foto: (h_st )

Bereits zum sechsten Mal verleiht die Stadt Marktheidenfeld den "Der Meefisch" - einen Bilderbuchillustrationspreis. Der mit 2000 Euro dotierte Preis wird für das beste bislang unveröffentlichte Bilderbuchprojekt im deutschsprachigen Raum vergeben. Die Preisvergabe erfolgt alle zwei Jahre. Seit 2009 wird mit dem Würzburger Kinder- und Jugendbuchverlag Arena kooperiert. Aus den 147 Einsendungen wählte die sechsköpfige Jury die 21 Wettbewerbsbeiträge für die Ausstellung aus. Bei der Jurybeurteilung dienten als Kriterien die künstlerische und grafische Qualität der Illustrationen, die technische Umsetzung sowie die Geschichte und die Botschaft, die das Buch hat. Am 5. Dezember wird der Gewinner ermittelt. Das von der Jury ausgezeichnete Bilderbuch wird dann im Programm des Arena Verlags veröffentlicht. Unabhängig von der Juryentscheidung haben die Besucher der Ausstellung bis Sonntag, 29. November, die Möglichkeit, für ihren Favoriten zu stimmen. Die 21 Wettbewerbsbeiträge sind zudem bis zum 27. Dezember im Franck-Haus Marktheidenfeld ausgestellt. Quelle: Stadt Marktheidenfeld

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