Einblicke in das Leben hinter Gittern - Fotografien von Wittlicher Gefangenen zeigen nicht alltägliche Perspektiven

Wittlich · Acht Gefangene der beiden Wittlicher Strafanstalten haben in einem mehrmonatigen Workshop viele Aspekte und Techniken rund um die Digitalfotografie erlernt. Aber der Umgang mit einer Digitalkamera ist nicht die einzige Art der Weiterbildung, die den Inhaftierten hinter Gittern angeboten wird.

An den Wänden im Eingangbereich der Jugendstrafanstalt (JSA) Wittlich hängen zahlreiche Bilderrahmen mit Fotografien. Sie zeigen unter anderem Teile des Altbaus der benachbarten Justizvollzugsanstalt (JVA) aus ungewöhnlichen Perspektiven, Blicke aus einer Zelle oder langzeitbelichtete Aufnahmen in der Dunkelheit. Einblicke in das Leben hinter Gittern.

Die Fotos wurden von Gefangenen der JSA in einem mehrmonatigen Projekt gefertigt. Vanessa Michels: "Wir bieten das Foto-Projekt seit mehreren Jahren an. Die Gefangenen sind mit sehr viel Spaß und Begeisterung dabei." Michels leitet den Workshop, der in der Regel im Spätsommer beginnt und über zweieinhalb Monate in Blöcken angeboten wird - und bei den Inhaftierten auf große Resonanz stößt. "Wir bieten acht Plätze an, vier für Gefangene aus der JVA, vier für Gefangene der JSA", sagt Michels. "Die Bewerberzahlen liegen jedoch weit höher. Im vergangenen Jahr hatten wir 60 Bewerbungen."

Am Ende bekommt jeder der acht Teilnehmer ein Zertifikat der Volkshochschule (VHS) Wittlich, die Kooperationspartner der JSA ist. "Einige können die im Projekt erworbenen Kenntnisse später zum Beispiel im Berufsleben einsetzen", sagt Michels.

Ins Leben gerufen wurde der Fotoworkshop vor fünf Jahren durch Manfred Göring von der JSA und Paul Valerius von der VHS Wittlich. Sie setzten den ersten Kurs gemeinsam mit den JSA-Bediensteten Uwe Willems und Daniel Reis um. Vom alten Team ist nur noch Uwe Willems dabei, der heute gemeinsam mit Vanessa Michels, Sabrina Lamberti und Christian Barthen im Team arbeitet.

Der Workshop wird einmal pro Woche über zweieinhalb Monate angeboten, unterteilt in thematische Blöcke wie Altbau, Verkaufsbilder für Ebay & Co., Parallelitäten und Linien, Schärfentiefe oder Bildbearbeitung am PC. "Ziel ist es, dass die Gefangenen eine eigene Sicht auf die Welt bekommen können und den Haftalltag hinter sich lassen", sagt Michels. Am Ende können sich die Teilnehmer ein Fotobuch als Erinnerung anfertigen.

Bei der Eröffnung der Ausstellung mit den Werken aus dem vergangenen Jahr waren es aber nicht nur die Fotografen - der Großteil der Teilnehmer ist mittlerweile auf freiem Fuß -, die ihre Kunst den geladenen Gästen präsentierten. Einige Gefangene lernen zum Beispiel in ihrer Haftzeit unter der Leitung von Rosemarie Grothe das Klavierspielen in der JSA und hatten bei der Vernissage einen Auftritt. Neben Klavier und Fotografie können die JSA-Insassen auch Keyboard, Gitarre oder Schlagzeug spielen lernen, den Hauptschulabschluss machen oder eine Ausbildung absolvieren, zum Beispiel zum Tischler, Maler oder Metallbauer.

"Für den Fachkunde-Unterricht kommen Lehrer der Berufsbildenden Schule zu uns", sagt Otto Schmid, Leiter der JSA. Zudem arbeite man mit dem Überbetrieblichen Ausbildungszentrum (ÜAZ) in Wittlich zusammen. Sind die Gefangenen nur kurze Zeit in Haft, besteht auch die Möglichkeit, verschiedene Qualifizierungsbausteine zur Berufsvorbereitung in der JSA zu absolvieren, unter anderem in den Bereichen Bau, Farbe, Textil oder Gebäudereinigung. "Die in diesen Bausteinen gefertigten Produkte werden dann zum Teil in der Gärtnerei der JVA verkauft", erzählt Schmid.

Und was passiert mit den Fotografien der Gefangenen? Werden sie denn auch einmal der Öffentlichkeit präsentiert? Anstaltsleiter Otto Schmid lacht. "Das war ursprünglich der Plan, wir hätten die Arbeiten sehr gerne draußen gezeigt. Aber zurzeit laufen in Wittlich mehrere Ausstellungen. Man muss sehen, dass sich der Aufwand lohnt." So bleiben die Fotos derzeit nur einem kleinen Publikum aus Bediensteten, Gefangenen und deren Besuchern zugänglich.

Derzeit sind zwischen 150 und 160 männliche Gefangene in der JSA Wittlich untergebracht, zum einem im Wohngruppenbereich, zum anderen in Abteilungen, die im Neubau der benachbarten JVA liegen. Die Wittlicher Anstalt ist neben der JSA in Schifferstadt, die 1991 in Betrieb genommen wurde, eine von zweien in Rheinland-Pfalz.
Dort verbringen rund 180 jugendliche Straftäter ihre Haftzeit. Weibliche Untersuchungs- und Jugendstrafgefangene sind in Zweibrücken untergebracht.
Die JSA Wittlich ist für die Landgerichtsbezirke Trier und Koblenz zuständig. Die JSA Wittlich ist 1912 gegründet worden und war laut Anstaltsleiter Otto Schmid die erste Jugendstrafanstalt auf dem europäischen Festland. Zuvor wurde das Gebäude rund zehn Jahre als Frauengefängnis genutzt, ebenso von 1945 bis 1948. Von 1996 bis 2000 wurde das JSA-Gebäude umfassend renoviert. Im Schnitt bleiben die Gefangenen laut Schmid zwischen zwölf und 14 Monaten in der Wittlicher Haftanstalt. Die Mindesthaftzeit sind sechs Monate, die Höchststrafe zehn Jahre, in extremen Ausnahmefällen seien jedoch bis zu 15 Jahre möglich. Im offenen Vollzug bietet die JSA sieben Haftplätze an.

Das Konzept des rheinland-pfälzischen Jugendstrafvollzugs basiert auf der Überzeugung, dass die Sozialisierung junger Straftäter die beste Möglichkeit der Prävention gegen neue Straftaten ist. Zu Jugendstrafen können Menschen zwischen 14 bis 21 Jahren verurteilt werden. Maßgeblich ist das Alter zum Zeitpunkt der Tat. Bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren ist das Jugendstrafrecht zwingend vorgesehen, Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahre können auch nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Entscheidend ist die Einschätzung des Gerichts, inwieweit Reife und Persönlichkeitsentwicklung einem Erwachsenen entsprechen.

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