Einkaufszentrum in der Kritik

"Schlossgalerie" soll das geplante Einkaufszentrum zwischen Post und Busbahnhof heißen. Das Projekt wird kontrovers diskutiert. Auf eine Pressemitteilung der Stadtverwaltung, die von "unversöhnlichen" Fronten aufgrund von "Ängsten und Vorurteilen" spricht, reagieren 13 Einzelhändler und Immobilienbesitzer der Innenstadt.

 Geht es nach dem Willen von Stadtrat und Stadtverwaltung entsteht auf diesem Grundstück in der Oberstadt das neue Einkaufszentrum. TV-Foto: Sonja Sünnen

Geht es nach dem Willen von Stadtrat und Stadtverwaltung entsteht auf diesem Grundstück in der Oberstadt das neue Einkaufszentrum. TV-Foto: Sonja Sünnen

Wittlich. "Es ist geradezu unerträglich, was seitens der Stadtverwaltung unternommen wird, um kritische Einzelhändler der Wittlicher Altstadt zu diffamieren", schreiben Birgit Amerkamp, Gregor Fischer, Hans Gelz, Manfred Hertling, Franz-Karl Lütticken, Mechthild Lütticken-Rudolphi, Marco Marczinski, Ursula Naumes, Michael Sabel, Michael Scheid, Ursula Sturm, Franz-Josef Thull und Kurt Wagner in einem gemeinsamen Brief. Seit Beginn des Jahres machen Befürworter (Stadtverwaltung, Stadtrat und auch Geschäftsleute) und Gegner ihre Meinung öffentlich. So hat der Architekt Dieter Rass seine Bedenken zum Bebauungsplan mitgeteilt, Architekt Ede Binz mittlerweile neun "Briefe an die Wittlicher", die das Projekt kritisieren, an unzählige Adressaten gemailt und Einzelhändler einen besorgten Brief an Bürgermeister und Stadtrat geschickt. Der Bürgermeister hat deshalb außerplanmäßig im vergangenen Stadtrat eine Rede gehalten und nun hat die Verwaltung eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der es unter anderem heißt, unterschiedliche Interessen prallten aufeinander: "Einerseits das Interesse der Stadt, vertreten durch Stadtrat und Bürgermeister, an der Sicherung des Einzelhandels in der Innenstadt und auf der anderen Seite die berechtigten Bestrebungen der ortsansässigen Einzelhändler, möglichst ohne neue und störende Konkurrenz ihre Geschäfte weiterführen zu können."Schaden für Altstadt befürchtet

Das weisen die 13 Wittlicher zurück. Die Stadt behaupte, "die betroffenen Einzelhändler wären von Ängsten und Vorurteilen geprägt" und es werde der Eindruck erweckt, "es ginge ihnen nur darum, ihre Geschäfte ohne störende Konkurrenz weiterführen zu wollen. Diese Unterstellung weisen wir nachdrücklich zurück!", schreiben sie. Auch die ausführliche Erklärung der Stadtverwaltung, warum aus ihrer Sicht das Einkaufszentrum wegen Standort, Größe und Besatz neue Käuferströme anziehe, die auch den ortsansässigen Geschäften nutzten, lassen die Kritiker nicht gelten. "Die wirtschaftlichen Zusammenhänge in einer globalisierten Welt sind auch dem Einzelhändler der Wittlicher Altstadt bekannt. Die Frage ist allerdings berechtigt, ob dies so einfach wie geschildert von selbsternannten Global Players auf die spezifische Struktur einer Kleinstadt übertragen werden kann und muss", argumentieren sie und sagen weiter: "Natürlich können in seltenen Fällen Einkaufszentren am geeigneten Standorten Impulsgeber zur Attraktivitätssteigerung sein. In einer Reihe von Städten werden aber inzwischen die erschreckenden Folgen für die gewachsenen Innenstädte sichtbar." Außerhalb des Einkaufscenters gingen Frequenzen und Umsätze drastisch zurück, Mietverträge liefen aus, Leerstände nähmen zu: "Insgesamt ein nachhaltiger Schaden für die gewachsenen Einzelhandelsstrukturen zugunsten einer Umsatzsteigerung des Einkaufscenters." Da auch die im Bebauungsplan ausgewiesene Dreigeschossigkeit, von der der Bürgermeister sagte, sie sei eigentlich eine Zweigeschossigkeit plus Parkdeck, noch für Irrittation sorgt, erklären die Briefschreiber: "Es ist halt ein Unterschied, ob man der Altstadt einen Einkaufsblock von bis zu 11 000 Quadratmetern möglicher Nutzfläche zumutet — mehr, als die Altstadt bislang an Nutzfläche aufweist — oder die bestehenden Strukturen mit deutlich weniger finanziellem Einsatz entwickelt, was der Altstadt als unersetzliche Kernzelle der Stadt nachhaltig dienen wird." In diesem Zusammenhang wünschen die Unterzeichner von der Verwaltung, bislang von Kritikern aufgeworfene "Sachfragen", wie etwa nach der Zahl der Geschosse, zu beantworten. Meinung Einfach zu viel "des Guten" Die Kritiker der Schlossgalerie empfinden die Presserklärung der Verwaltung als Brüskierung. Warum? Ihnen wird nochmals erklärt, warum das Projekt rundum positiv sei. Das hat den Eindruck zur Folge, die Verwaltung müsse die Kritiker zu ihrem Glück zwingen und ihnen einmal die Welt erklären. Sie kommen sich also "für dumm verkauft" vor. Das war schon abzusehen, als ausgerechnet der Bürgermeister für seine Rede pro Einkaufszentrum den Titel wählte: "Irren ist menschlich — Die Erde ist eine Scheibe?" Das war unklug, auch wenn man verstehen kann, dass auch ihm mal der Kragen platzen muss, er ist ja ebenso überzeugt von seiner Position. Unsachlich spricht aber auch der kritische Architekt durchweg vom "Kasten", aber er ist Bürger und nicht Stadtchef. Beide Seiten scheinen sich vom jeweils anderen nicht mehr ernst genommen zu fühlen. Eine absolut sachliche Diskussion, ohne "Hurra" und "Oje" ist gefragt. Dazu gibt es die Möglichkeit bei einer Einwohnerversammlung am Donnerstag, 10. Mai. Wenn man sich möglichst "emotionslos" treffen könnte, wäre das ein Fortschritt. s.suennen@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort