Einsatz fürs Stadtbild mit Stahlwand

Wittlich · Nach dem Abriss einer städtischen Bruchbude geht’s um die Beseitigung eines so entstandenen Folgeschandflecks: Die Restfassade soll mit Cortenstahl verhängt werden. Die Gesamtkosten inklusive Platzgestaltung betragen mittlerweile geschätzt 320 000 Euro.

 Hinter dem Gerüst sieht man die Betonstützen, die der Statik dienen. Auch die Verkleidung der Wände verteuert das Platzprojekt. TV-Foto: Klaus Kimmling

Hinter dem Gerüst sieht man die Betonstützen, die der Statik dienen. Auch die Verkleidung der Wände verteuert das Platzprojekt. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: Klaus Kimmling (m_wil )

Wittlich Weg damit und Bahn frei für einen kleinen, feinen neuen Platz direkt neben der Synagoge! Das ist vereinfacht gedacht die Lösung für ein innerstädtisches Grundstück mit einem verfallenden, kleinen Haus direkt neben der ehemaligen Synagoge in der Himmeroder Straße. Dachte man. So hat sich der zu allen möglichen Themen immer wieder zu Wort meldende Ehrenbürger Hans-Günter Heinz schon 2015 in der Einwohnerfragestunde des Stadtrates gefordert, sich dieses "Schandflecks" wie er sagte, endlich einmal anzunehmen. Vermutlich wohl wissend, dass erst wenige Tage zuvor eine offizielle Besichtigung der Immobilie stattgefunden hatte. Außerdem hat Heinz politische Lieblingspartei, die FDP, schon 2011 einen Antrag auf Abriss gestellt. Damals noch mit dem Wunsch, dort Parkplätze zu bauen. 2015 wurde dann offiziell entschieden, das Haus Nummer 42 auf dem 230 Quadratmeter großen Grundstück abzureißen. Und dann? Da keiner ein Trümmergrundstück haben wollte, sollte ein "angenehmer Raum" geschaffen werden, wie es damals Christoph Heckel, BGH Plan, formulierte. Man wünschte einen kleinen Platz mit grünem Dach aus sechs Bäumen, drei Bänken, Beleuchtung nebst sozusagen aufgeräumter Pflasterung ringsum. Summa summarum 131 000 Euro sollte vor eineinhalb Jahren das Ganze einschließlich der neuen Gehwege kosten zuzüglich Baunebenkosten, und der Abriss wurde auf 60 000 Euro geschätzt. Wenige Monate später sprach man in Sachen Abriss dann von 77 000 Euro, sodass 2016 insgesamt mit 210 000 Euro kalkuliert wurde. Das ist nicht das Ende.Während der Abrissarbeiten Mitte 2016 stellte sich heraus, dass in Sachen Statik umgeplant werden muss. Die verbleibende alte Giebelwand zum Nachbarhaus, der Kultkneipe Äschatskaul, wird seither mit einer Beton-Stützkonstruktion gehalten. Um beides nun zu verdecken, stimmte der Stadtrat einer Extra-Lösung für die Wand zu: Es sollten Cortenstahlplatten vor die Fassade gehängt werden und die Wand sowie das sich nach hinten anschließende Mittelstück verputzt werden. Dafür wurden noch mal insgesamt 60 000 Euro kalkuliert, allein 20 000 bis 25 000 Euro müsse man für den Cortenstahl-Vorhang rechnen. Passiert ist, wie jeder sehen kann, seither an der Baustelle nichts. Die Überreste des Abrisses nebst Stützkonstruktion gehören fast schon zum Stadtbild an der Himmeroder Straße. Aber das ist ja politisch nicht gewollt, sondern wie bekannt ein schöner, neuer Platz unterm Baumdach mit ansehnlicher Fassade daneben. Und da darf es finanziell noch einmal etwas mehr sein, wie in den Unterlagen zum Bau- und Verkehrsausschuss zu entnehmen ist, in dem sich am Mittwochabend noch einmal mit dem Thema beschäftigt wurde. Hintergrund: Die erste beschränkte Ausschreibung für die Vorhangfassade sei "wegen Unklarheiten in einzelnen Positionstexten aufgehoben worden", wie es in der Beschlussvorlage steht. Jetzt habe man zwei neue Angebote. Dabei wolle man dem preiswerteren zu rund 32 500 Euro den Zuschlag geben. Weiter heißt es summa summarum, die Investitionssumme für die Gesamtmaßnahme in Höhe von 210 000 Euro wurde im Nachtrag 2016 um 110 000 Euro auf gesamt 320 000 Euro erhöht. Darin seien die zusätzlichen Kosten "zur Herrichtung der verbliebenen Giebelflächen sowie der Cortenstahl-Vorhangfassade" enthalten. KommentarMeinung

Luxuspflaster Die Kostenentwicklung in Sachen Platzgestaltung neben der Synagoge ist keine Erfolgsgeschichte. Zwar ist es immer teurer, als man gemeinhin denkt, wenn die öffentliche Hand etwas anpackt, und meistens wird's im Laufe der Zeit dann noch mal etwas mehr, aber 320 000 Euro, wenn sie denn nun tatsächlich ausreichen, für einen 230 Quadratmeterplatz sind überzogen. Natürlich will die Stadt keine halben Sachen machen, das versteht jeder. Aber wer versteht noch, dass sie bei einem Quadratmeterpreis landet, den man etwa im Wohnungsneubau für die mittlere Ausstattung eines durchschnittlichen Einfamilienhauses nimmt, nämlich rund 1390 Euro je Quadratmeter. Das ist nicht wirklich als vernünftig zu vermitteln, zumal am Platz selbst rein gar nichts in irgendeiner Form spektakulär sein wird, oder hält jemand sechs Bäume nebst Bänken und Bodenbelag für mondänen Luxus? s.suennen@volksfreund.deExtra: DIE GESTALTUNG DER FASSADE

Im Zusammenhang mit der ehemaligen Synagoge in der unmittelbaren Nachbarschaft des Projekts soll auf der mit rostfarbenen Cortenstahl verkleideten Fassade der Wortlaut des Artikels 1 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes "Die Würde des Menschen ist unantastbar" zu lesen sein. Die Worte sollen eingestanzt werden. Außerdem war gewünscht, dass mehrere Lichtschlitze oder -punkte in den Stahl geschnitten werden, der dann mit LED-Licht hinterleuchtet werden soll.

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