Erst Denkzettel, dann Stimmzettel

In der außerordentlich gut besuchten Mitgliederversammlung der CDU wurde der parteilose Joachim Rodenkirch zum Kandidaten der CDU für die Bürgermeisterwahl in Wittlich gewählt.

Wittlich. Am 7. Juni wird es ernst in Sachen Bürgermeister-Wahl. Im Zeichen der Brisanz dieser Personalentscheidung für Wittlich stand auch die Mitgliederversammlung der CDU. Zu Beginn hatte Stadtverbandsvorsitzender Reinhold Westhöfer daran erinnert, dass der Bürgermeister letztendlich nicht von den CDU-Mitgliedern sondern den Wittlichern gewählt werde. Man sei überzeugt, mit Joachim Rodenkirch den richtigen Mann zu haben. Darüber zu entscheiden waren die Mitglieder jetzt aufgefordert.

Die 92 Stühle im Casino-Saal reichten nicht. Ob sich Albert Klein freute, dass er seine Wette verloren hat, es kämen keine 100 Mitglieder, weshalb er jedem ein Freigetränk ausgeben musste, wurde nicht geklärt. Geklärt wurde aber, dass mancher mit der Empfehlung des Stadtverbandes für Joachim Rodenkirch als Kandidaten nicht einverstanden war. Dabei ging es nicht um die Person Rodenkirchs, sondern die Kritik war ausschließlich an die Parteiführung gerichtet. Man hätte gerne eine Auswahlmöglichkeit unter allen möglichen Bewerbern gehabt, hieß es, und die Festlegung durch den Stadtverband sei zu früh erfolgt. Auch wäre eine Ausschreibung sowohl durch CDU als auch, nach einem dann herbeizuführenden Ratsbeschluss, durch die Stadt selbst besser gewesen, sagte Jan Eiring. Er stellte den Antrag auf Absetzung des wichtigsten Tagesordnungspunkts der Versammlung, eben der Kandidatenkür durch die Mitglieder. "Wer war das, die bisherigen Bewerber? Mit wem haben Sie gesprochen? Wir wissen es nicht", erklärte ein Mitglied. Der Antrag scheiterte nach einer geheimen Abstimmung mit 56 Gegenstimmen zu 43 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung.

Bei seiner anschließenden Vorstellung appellierte Joachim Rodenkirch an die CDU-Mitglieder, jetzt geschlossen nach außen aufzutreten und parteiinterne Diskussionen zu beenden: "Das setzt völlig falsche Signale nach außen. Der politische Gegner, der sitzt ja draußen, nicht hier drin." Er wolle mit Seriosität, Bürgernähe, Engagement in den Wahlkampf gehen, Themenfelder wie Wirtschaft, Familie, Tourismus stärken, fühle sich christlichen Werten verpflichtet, wolle aber wie bisher parteilos bleiben: "Ich halte es für ein völlig falsches Signal, jetzt beizutreten. Das würden die Bürger nicht verstehen."

In der zweiten geheimen Wahl des Abends stimmten 73 Mitglieder für ihn, 22 Mitglieder dagegen bei sechs Enthaltungen.

Das Wahlergebnis gegen 22 Uhr wurde mit festem Applaus bedacht. Erste Glückwünsche kamen auch von den Kritikern des Verfahrens.

Abschließend sagte der frisch gekürte offizielle CDU-Bewerber um das Bürgermeisteramt, er reiche allen die Hand, damit man gemeinsam im Konsens in das Wahljahr schreiten könne, denn: "Ein Kandidat braucht die volle Unterstützung der eigenen Mannschaft."

Meinung

Vasallentreue war einmal

Dass es in der CDU rumort, wurde deutlich und offen ausgetragen, wie es sich gehört. Gut so, denn Tuscheleien bringen nichts. Dabei haben die Befürworter der Kandidaten-Empfehlung ihre Vasallen genauso zusammengerufen, wie die, die dieses Verfahren als Bevormundung ansehen. Stolze 100 Anwesende zeigen, dass das Thema die Mitglieder mobilisiert und auch, wie stark die Partei auftreten kann. Die, die gekommen sind, sind zum Teil offensichtlich mehr als eben reine Vasallen, sondern selbstbewusste Köpfe, die aus ihrer Meinung kein Hehl machen. Während sich etwa bei SPD oder Grünen noch kein Mitglied beschwert hat, dass es eine Vorentscheidung der führenden Köpfe geben wird, ist die Sache bei der CDU anders. Deren Führungsetage hätte den Missmut vermeiden können, wenn sie von Anfang an deutlich und offen kommuniziert hätte, wie sie vorgehen will, dann hätte sich niemand gegängelt fühlen können. s.suennen@volksfreund.de

EXTRA Sprüche: "Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass eine kleine Findungskommission - und wie man hört mit nur einer Stimme Mehrheit im Vorstand - diese wichtige Frage entscheidet und wir hier nur noch zustimmen oder ablehnen können", Jan Eiring, der den Antrag stellte, nicht über die Kandidatenbenennung zu entscheiden. "Ist lange her, dass ich so große Zustimmung erfahren habe", Albert Klein, der Versammlungsleiter wurde. "Wenn wir eine Nominierung im Januar oder Februar machen, das würde reichen", Hubert Thönes. "Leidergottes ist unsere Entscheidung frühzeitig an die Presse gegeben worden", Reinhold Westhöfer. "Ein bisschen Schlitzohrigkeit sollte auch dabei sein", ein CDU-Mitglied nach Joachim Rodenkirchs Vorstellung.

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