Falschfahrer auf der A60: Jede Menge Beinah-Katastrophen auf Eifeler Straßen

„Falschfahrer auf der A60“ – diese alarmierende Nachricht hat es jüngst wieder öfter gegeben. Aber hat sich die Zahl der Desorientierten auf den wichtigsten Eifeler Straßen wirklich erhöht? Der TV hat nachgehört, warum überhaupt Autofahrer auf der verkehrten Spur herumgeistern. Und was die Behörden tun, um es zu verhindern.

Fast 50 Kilometer weit war der Mann in einer Mainacht auf der A60 unterwegs - auf falscher Fahrbahn. Notrufe anderer Autofahrer brachten die Polizeibeamten auf die Spur des 71-Jährigen. Am Ende stellte eine Streife aus Wittlich den Mann in Höhe des Parkplatzes Fintenkapelle. Er gab an, er habe "eigentlich nach Luxemburg gewollt". Oder eine 63-Jährige, die sich kürzlich vor dem Amtsgericht Wittlich wegen fahrlässiger und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässiger Körperverletzung und Unfallflucht verantworten musste, weil sie im Dezember vergangenen Jahres aus Richtung Wittlich kommend knapp 13 Kilometer lang auf der A?60 entgegen der Fahrtrichtung gefahren ist.

Ein Glück, dass aus beiden Fällen keine Katastrophe wurde. Aber stimmt die Annahme, dass es in der jüngeren Zeit wieder mehr Falschfahrer gegeben hat?
"Der Eindruck drängt sich auf", sagt Christoph Cremer, Chef der Polizei-Inspektion (PI) Prüm, angesichts solcher Meldungen. Die Beamten in der Abteistadt sind unter anderem zuständig für den A60-Abschnitt zwischen der Grenze zu Belgien und der Anschlussstelle Waxweiler.

Seit 2011, sagt der Prümer PI-Chef, haben er und seine Kollegen 35 Fälle registriert, 2016 waren es bisher vier. Die meisten auf der Autobahn, allerdings auch einige auf der B51 zwischen Stadtkyll und Prüm - und das sind nur die aktenkundigen Fälle. Manche desorientierten Auto-Piloten haben die Beamten noch rechtzeitig erwischen können: Denen fahren die Polizisten dann hinterher - auf der richtigen Spur, "bis sie dann auf gleicher Höhe sind". Per Lautsprecher werden die Falschfahrer auf ihren Fehler aufmerksam gemacht. Das sei alles nicht ungefährlich, sagt Cremer. Und immer gehe es darum, einen Unfall zu verhindern.

Acht Falschfahrer auf der A60 habe die Inspektion Bitburg seit Jahresbeginn in den Akten, sagt PI-Sprecher Wolfgang Zenner. Der Jüngste: siehe oben. Keiner verursachte einen Unfall. Diese acht kann man aber nicht einfach zu denen der Prümer Kollegen hinzurechnen: Wenn jemand in Prüm auffahre und in Landscheid wieder die A60 verlasse, habe er drei Dienstbezirke durchquert, sagt Zenner - bis Waxweiler sind die Prümer Beamten zuständig, von Waxweiler bis Spangdahlem die PI Bitburg, danach die Polizeiautobahnstation Schweich. Überschneidungen seien daher nicht auszuschließen. Für den Bezirk der PI Bitburg kann Zenner nicht sagen, "dass es gefühlt mehr" Falschfahrer geworden sind. Manchmal aber gebe es "zwei, drei Vorfälle dicht hintereinander. Und dann ist wieder wochenlang nichts."

Die Autobahnpolizei, teilt aus Schweich Franz Pauly mit, zählte seit Beginn des Jahres bisher 21 Vorgänge - in einem allerdings großen Dienstgebiet, das sich über mehrere Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen, Tank- und Rastplätze erstreckt. Drei Falschfahrer registrierte man auf der A60, darunter auch wieder der Herr, den man Ende Mai stoppen konnte. Aber nicht alle werden geschnappt oder überhaupt registriert: "Irgendwann merken sie es ja", sagt Christoph Cremer. "Und dann wird bei günstiger Gelegenheit gedreht."

Die Ursachen fürs Falschfahren? Manchmal ist es das Übliche: Wie bei der betrunkenen Frau, die die Beamten auf der A?60 stoppen konnten. Blutalkoholwert: 2,53 Promille. Auch Baustellen können verwirren: Wie voriges Jahr bei Stadtkyll, als PKW-Fahrer "und reihenweise LKWs" in die falsche Spur gerieten. Hin und wieder verliere auch jemand am Steuer die Orientierung - wie der ältere Herr aus dem Raum Köln, den es in die Eifel verschlug, obwohl er ganz woanders hin wollte. Er war nicht nur auf der falschen Spur, sondern auch in der falschen Gegend gelandet.

Eine andere mögliche Ursache: die Markierung der Autobahn-Anschlussstellen. Der Landesbetrieb Mobilität in Koblenz hat deshalb vor zwei Jahren eine Änderung verfügt: Seitdem sind alle Auf- und Abfahrten in Rheinland-Pfalz neu gekennzeichnet - unter anderem mit zusätzlichen Richtungspfeilen: Man findet sie nicht mehr nur auf dem Abbiegestreifen, sondern jetzt auch in der Auf- und Abfahrt der Autobahnrampe. Eigentlich unmissverständlich.

EXTRA

Wie muss man sich verhalten, wenn ein Falschfahrer naht? Eine allgemeingültige Aussage dazu, sagt Wolfgang Zenner von der Polizei-Inspektion Bitburg, könne man nicht treffen. Das Wichtigste: raus aus der Gefahr - idealerweise sei das ein Rastplatz, den man ansteuern könne. Oder eine Ausfahrt. Ansonsten gelte: "Auf jeden Fall rechts ranfahren, um dem aus den Füßen zu kommen." Wer einen Falschfahrer bemerke, solle "schnell die Polizei anrufen, damit andere Verkehrsteilnehmer gewarnt werden können". Auch Parkbuchten könne man zum Anhalten nutzen - grundsätzlich sollte man das aber nur an übersichtlichen Stellen tun.

Und wenn man selbst der Falschfahrer ist? Noch schwieriger: Bestenfalls könne man, falls überhaupt möglich, rüber zum Standstreifen und dort anhalten - aber auch nur, wenn dieser sich an einem übersichtlichen Abschnitt befinde. Und dann sollte man die Polizei rufen. "Aber seien wir ehrlich", sagt Wolfgang Zenner. "Wer macht das schon? Der muss ja davon ausgehen, dass er hinterher seinen Führerschein los ist."

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