"Fliegende Pullis" vor dem Kadi

Wittlich · Das Amtsgericht Wittlich hat das Verfahren wegen Körperverletzung gegen einen Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt Wittlich eingestellt. Er soll einem Mithäftling im April 2014 aufeinander gestapelte Pullover entgegengeschleudert und ihn damit verletzt haben.

Wittlich. Können aufeinander gestapelte Pullover, die geworfen werden, einen Menschen verletzen? Das Opfer jedenfalls gibt während der Verhandlung am Wittlicher Amtsgericht an, durch ein fliegendes Bündel Pullover körperlich so getroffen worden zu sein, dass er Schmerzen erlitten habe. Laut Anklageschrift soll sich der Vorfall am 11. April 2014 in der Wäscherei der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wittlich zugetragen haben. Einige Pullover, die zusammen ein drei bis vier Kilogramm schweres Paket ergeben, sollen dem Beschuldigten als "fliegende Waffe" gedient haben.
Der 22-Jährige und sein Opfer arbeiteten zum Zeitpunkt der Tat in der Wäscherei der JVA und standen an dem Tisch, an dem die Wäsche gefaltet wird. "Ich habe mich über den Packtisch gebeugt", sagt das Opfer. "Als ich hochschaute, kam mir ein Paket Wäsche entgegen. Meine Brille flog weg, und ich hatte drei Tage lang Nackenschmerzen." Diese habe er mit einer Salbe lindern müssen. "Der Arzt hat mich von der Arbeit freigestellt und mir Schmerzmittel verschrieben." Er selbst habe keine Anzeige gegen den Angeklagten erstattet. "Er hat mich öfter ge neckt, da er mich wohl als Mobbingopfer sah. Aber er ist ein junger Mensch und möchte Therapie machen. Ich will ihm da keine Steine in den Weg legen", sagt der 47-Jährige. Die Verteidigerin des Angeklagten, Marion Faust, bezweifelt, dass das Aufprallen einiger Pullover große Nackenschmerzen verursachen könne. "Es war ja nicht so, als sei ich von Wattebäuschen getroffen worden", entgegnet das Opfer. "Ich hatte Nackenschmerzen, und mir war richtig schlecht!"
Anders sieht die Aussage eines weiteren Mithäftlings aus. Er gibt an, während der Tat neben dem Opfer gestanden zu haben. "Ich sah nur, wie fünf, sechs Pullis ihn an der Schulter trafen. Dann schrie er ‚Jetzt hab ich ein Schleudertrauma!\' Als hätte ihn ein Amboss getroffen", sagt der 61 Jahre alte Inhaftierte. Das Opfer habe öfter andere Personen provoziert, Reibereien speziell mit dem Angeklagten seien ihm aber nicht bekannt. "Ich habe dem Ganzen keine große Bedeutung zugemessen. Für mich war das nur eine Show", erklärt der 61-Jährige. Das Opfer bleibt aber bei seiner Aussage.
Während der Verhandlung will der Angeklagte nicht von seiner Aussage abrücken, er habe gar keine Wäsche in die Richtung des Opfers geworfen. Gegen Ende sieht dies anders aus. "Er gibt zu, die Wäsche in die Richtung des Opfers gestoßen zu haben", erklärt seine Verteidigerin. "Ich höre heraus, dass Ihnen die Sache leid tut", fasst Strafrichter Hermann-Josef Weber zusammen. Das Verfahren wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten eingestellt, da die Schuld als zu gering anzusehen ist. lem

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