Herr Holm hält Hof

Erstmals in diesem Jahr war Wittlich Spielort der Eifel-Kulturtage. Deren Leiter Rainer Laupichler brachte eine Perle der Kleinkunst in die Säubrennerstadt: Dirk Bielefeldt alias Herr Holm.

 Dirk Bielefeldt als tapsiger Ordnungshüter „Herr Holm“ kann auch privat die Dienstmütze nicht ganz ablegen. Foto: privat

Dirk Bielefeldt als tapsiger Ordnungshüter „Herr Holm“ kann auch privat die Dienstmütze nicht ganz ablegen. Foto: privat

Wittlich. Jürgen von Manger spielte einst den Ruhrpott-Rentner "Adolf Tegtmeier"; Gerd Dudenhöffer saarländert als "Heinz Becker" über Gott und die Welt, und der Hamburger Dirk Bielefeldt bereist mit seiner Kunstfigur "Herr Holm" die deutschen Kabarettbühnen. Zunächst ein Steckbrief zur Person. Name: Holm, Beruf: Polizist, Vorname und Dienstgrad unbekannt, zuletzt gesehen am Dienstagabend in der voll besetzten Wittlicher Synagoge. Ein Verlaufsprotokoll des Auftritts wurde angefertigt und kann nachstehend eingesehen werden:Die spärliche Bühnendekoration deutet einen typisch deutschen Kleingarten an, natürlich gut gepflegt. Hinter einer Sichtschutzmauer steht ein typisch deutsches Gartenhäuschen, natürlich gut gesichert. Während Herr Holm die grüne Polizeijacke gegen eine legere Freizeitjoppe tauscht, brummelt er etwas vor sich hin wie: "Ja, ja, man kann heutzutage nicht vorsichtig genug sein." Wer in Wittlich seinen Schrebergarten hat, kann das in diesen Tagen nur bestätigen."Polizist Holm - Privat" lautet das Motto des Abends, aber wie privat will und kann Polizist Holm eigentlich sein? Ein Vorgangsprotokoll lässt sich leicht zu den Akten legen, das eigene Wesen aber nicht. Und so hat Herr Holm Stift und Notizblock auch außer Dienst stets griffbereit, um ausgewählte Zuschauer einer "erkennungsdienstlichen Behandlung" zuzuführen - "Name?", "Wohnort?", "Beruf?" Wenn er sie auch vorher hineingesteckt haben mag, schüttelt er im spontanen Zusammenspiel mit dem Publikum doch eine Pointe nach der anderen lässig aus dem Ärmel. Ob er selbst fragend durch die Reihen tapst oder den einzelnen Zuschauer dazu auffordert, den Sitznachbarn unauffällig auszuhorchen - dieser Polizist ist die Mensch gewordene Vorratsdatenspeicherung. Oder besser: eine gelungene Parodie auf Kontrollfetisch und Datensammelwut.Und Herrn Holms vorauseilende Akribie dürfte selbst den Planungsstab des Bundesnachrichtendiensts vor Neid erblassen lassen. Noch bevor etwas passiert, will der Schlaks die Lage schon im Griff haben. Natürlich möchte er auch für seine ersten Kontakte mit der Damenwelt gewappnet sein. Deshalb hat sich der hoch aufgeschossene Hanseat seine Wortbeiträge fürs erste Kennenlerngespräch sicherheitshalber schon mal auf Karteikarten notiert. Um am kleinen und großen Chaos der Welt nicht zu verzweifeln, versucht Herr Holm sich nicht nur in der permanenten Planung des Unbekannten; er hat auch stets eine Erklärung für alles scheinbar Rätselhafte parat: Wenn er etwa auf der Bühne mit einer unglücklicherweise an beiden Enden offenen Mülltüte kämpft, erklärt er die widerborstige Materie kurzerhand zum Bratenschlauch."Herr Holm" ist jedenfalls mehr als Dirk Bielefeldt plus Kostüm und Maske; die Kunstfigur ist das Ergebnis akribischer schauspielerischer Arbeit. Der Abend in der Synagoge bot eine insgesamt stimmige mimische Charakterstudie. So stimmig, dass man mit etwas Augenzwinkern selbst die altbekannten Zoten über Angela Merkels Äußeres als Verbeugung Bielefeldts vor dem verschrobenen Herrn Holm begreifen könnte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort