"Hier zählt nur der Mensch"

Helmut Müller aus Hosten und Claudia Pfeiffer aus Bombogen sind 100 Kilometer des Jakobs pilgerwegs gegangen. Eigentlich nichts Besonderes, hätte Müller die Strecke nicht auf Krücken bewältigt.

 Santiago de Compostela erreicht: Claudia Pfeiffer und der gehbehinderte Helmut Müller haben sich mit einer Wanderung auf dem Jakobsweg einen Traum erfüllt. Foto: Marita Blahak

Santiago de Compostela erreicht: Claudia Pfeiffer und der gehbehinderte Helmut Müller haben sich mit einer Wanderung auf dem Jakobsweg einen Traum erfüllt. Foto: Marita Blahak

Wittlich/Santiago. Helmut Müller und Claudia Pfeiffer haben immer noch ein Strahlen in den Augen, wenn sie von ihrem Pilgerweg erzählen und die Fotos zeigen. Die vielen wunderbaren und unvergesslichen Erlebnisse, die sie auf ihrer 100 Kilometer langen Stecke des Jakobswegs zurückgelegt haben, werden den beiden in ewiger Erinnerung bleiben.

Dabei war es für Müller kein leichter Gang: Er legte die Strecke, bei der Höhenunterschiede von rund 1200 Metern zu überwinden waren, auf Krücken zurück. Die Einträge im persönlichen Pilgerpass bezeugen die einzelnen Wegstationen. "Seit Jahren schon ging mir der Jakobsweg durch den Kopf", sagt der Verwaltungsfachwirt, der seit einem Unfall vor 26 Jahren "inkomplett" querschnittgelähmt ist. Doch ihn beschäftigte die Frage, ob er das alleine schaffen könne, mit Rollstuhl. Als sich der 44-jährige Helmut Müller und die 43 Jahre alte Claudia Pfeiffer Anfang des Jahres kennenlernten, war die Verwirklichung des Projekts in greifbare Nähe gerückt. "Denn auch ich hatte den gleichen Traum", bestätigt die Krankenschwester. Ein Termin für die Pilgerwanderung Ende der Sommerferien stand schnell fest. Es gab nur noch ein Problem: den Rollstuhl, bisher Müllers unentbehrlicher Begleiter. Denn mit dem würde das ganze Unternehmen nicht machbar sein. Also hieß die Devise: Rollstuhl weg, Krücken her. Gesagt, getan. Ungläubige Blicke erntete Müller von allen Seiten: "Du bist verrückt, du machst dich kaputt", hieß es oft. Doch die Zweifel ließen ihn kalt. "Mein Ziel war es, diesen Weg aus Freude zu machen, nicht, um mir oder anderen etwas zu beweisen", versichert Müller. "Und es war das Beste, was ich je gemacht habe". Denn seither steht sein Rollstuhl unbenutzt in der Ecke.

Bis zum Sommer hatte er intensiv trainiert bei Wanderungen in der Region. Mit Schlafsack, Wanderschuhen und Rucksack, an dem die Jakobsmuschel baumelte, ging es dann los. Der tägliche Marsch wurde auf zehn Kilometer festgelegt. Eine Strecke, die Müller auf seinen Krücken gut meistern konnte, die aber für Pfeiffer eine "entschleunigende" Herausforderung war. Was man auf solch einem Pilgerweg erlebe, den viele Gleichgesinnte tagtäglich gehen, das sei unbeschreiblich schön, bestätigen beide. Ob die Pilger, die auf einem steilen Wegstück bewusst hinter dem Gehandicapten blieben und am Ende mit einer Umarmung dem "Champion" viel Glück wünschten, oder ob die Missionare, die den beiden Deutschen ein Kreuz schenkten, das sie heute noch tragen, oder die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen aus aller Welt.

Erhebendes Gefühl am Kilometerstein "0"



Das seien Erlebnisse, die tief im Herzen berühren. "Auf diesem Weg der Begegnungen zählen nicht Beruf und Status, hier zählt nur der Mensch", unterstreichen die beiden Jakobswanderer. Und wenn man dann den Kilometerstein mit der Zahl "0" sehe, dann sei das schon ein erhebendes Gefühl, das Ziel Santiago de Compostela erreicht zu haben. Um auch anderen Mut für ein solches Unternehmen zu machen, wollen die beiden Pilger in einem Buch ihre positiven Erfahrungen aufschreiben. "Und wir würden uns jederzeit wieder auf den Weg machen", so ihr Fazit.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort