Jeder Riese fängt klein an

WITTLICH. 6500 Eichen, 300 Rotbuchen, 300 Linden und 100 Kirschbäume wollen in Wittlich groß werden. An der Pilgerstrecke nach Klausen, nahe der "Schwarzen Muttergottes" im Mundwald, wurden sie jetzt gepflanzt.

"Hier entsteht eine neue Waldgeneration." - Das Schild will Revierleiter Joachim Rodenkirch noch aufstellen, und zwar am Zaun. Der mannshohe Draht am "Klausener Waldweg" schützt im Mundwald vor knabbernden Rehen. Denn dahinter wächst auf einem Hektar ihr "Lieblingssalat": kleine Eichen-Knospen. Eichen? Der Laie erkennt nur Stöckchen, die im Boden stecken - wenn er genau hinsieht. Und er erkennt natürlich die drei Riesen, die in der umzäunten Fläche einsam in den Himmel ragen. Sie hat der Sturm 1990 in Ruhe gelassen, und sie dienen weiter als Landeplatz für Vögel. Aber rings um die verbliebenen "Hingucker" ließ der Sturm nicht viel übrig. Und die "geknickten" Bäume, Weiden und Zitterpappeln, - die Forstleute nannten sie "Scheinbestockung" - sind nun weg. "Die Wanderer und Walker haben erst kritisch geguckt, als wir die Restbestockung entfernt und eine Kahlfläche geschaffen haben", sagt Forstwirtschaftsmeister Martin Becker, "Aber wenn wir erklären, dass wir hier neue Bäume pflanzen, ist die Reaktion positiv." Er greift zum Plastiksack voller Eichen, schnappt sich die Wiedehopf-Haue, deren "Kopf" dem namengebenden Vogel ähnelt, und bückt sich über den Waldboden. Gemeinsam mit Rolf Weber sorgt er dafür, dass die neuen Traubeneichen Wurzeln in Wittlich schlagen. 6500 Stück plus 300 Rotbuchen und 300 Linden sollen eine neue Heimat im Mundwald finden. Am Zaun entlang werden außerdem 100 Kirschbäume gepflanzt. Im kommenden Mai werden sich an den zweijährigen "Stöckchen" die ersten Blätter zeigen. Dann darf nicht mehr in menschlichen Dimensionen gerechnet werden. Grüne Rentenversicherung für Ur-Ur-Enkel

"Wir pflanzen für kommende Generationen", sagt Joachim Rodenkirch, "Wir können nicht nur Holz entnehmen, sondern wollen dafür sorgen, dass hier wieder hochwertige Eichen wachsen, wie in der Nachbarschaft." Die Bäume gegenüber der "Kinderstube" sind 160 bis 180 Jahre alt. Die Senioren im Wittlicher Wald zählen 250 Jahre und stehen im Grünewald. Wie viele der symbolträchtigen Bäume im 130 Hektar großen Bereich des Mundwalds wachsen, der zum Forstrevier Wittlich zählt, weiß man nicht. Aber man weiß, dass man für den Nachwuchs sorgen muss. Bereits im Frühjahr wurden 11 400 Bäume gepflanzt: hinter dem Hotel Lindenhof, aber auch in Neuerburg. Irgendwann erfreuen sie nicht nur die Wanderer sondern liefern wertvolles Holz. Ihre "Zieh-Väter" werden das nicht mehr erleben. Jetzt kosten die Pflänzchen aus einer Baumschule bei Koblenz etwa 50 Cent das Stück, rund 80 Stück die Stunde pflanzen Martin Becker und Rolf Weber. Das gibt leichten Muskelkater und macht kräftig. Und kräftig werden sollen auch die Neulinge im Boden, für die der milde Dezember ideales Pflanzwetter war. Sonst wird im Herbst oder Frühjahr gesetzt. Anfang 2007 investiert die Stadt im Grünewald und in Neuerburg wieder in ihre "grüne Rentenversicherung für Ur-Ur-Enkel". Zusätzlich setzt man auf natürlichen Nachwuchs. Joachim Rodenkirch sagt: "Das Prinzip der Nachhaltigkeit über Generationen wollen wir auch mit Naturverjüngung erreichen. Das heißt, dass der Wald sich praktisch von selbst erneuert. Steuern können wir das etwa durch Freistellen. Sonst würden Brombeeren und Brennnessel die Pflänzchen ersticken." Damit Wittlichs "grüne Lunge" genug Licht und Luft bekommt, muss halt manchmal "operiert" werden. Doch von einem leidenen "Patienten Wald" ist rund um Wittlich wenig zu spüren. Er liegt ja auch schön ans Tal gebettet und soll seine Besucher gesund und fröhlich machen. Seit "Wiebke", dem Sturm 1990, hat das Forstrevier Wittlich auch dafür über eine halbe Million Bäume gepflanzt. Der Wittlicher Wald mit seinem gut 12 000 Hektar, davon 70 Prozent Laubholz, ist auch ein "Betrieb". In der Stadtratssitzung am Donnerstag, 18 Uhr, in der früheren Synagoge, können interessierte Bürger erfahren, was mit diesem städtischen Vermögen, das auf rund 8,6 Millionen Euro geschätzt wird, im Jahr 2007 geplant ist.

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