Jetzt bleibt der Schrank daheim

WITTLICH. Der Schrank von Emil Frank, ein von den Nazis aus Wittlich vertriebener Jude, kommt nun doch nicht in die vom Haus der Geschichte Bonn geplante Ausstellung (der TV berichtete), sondern wird in der Synagoge ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte greifbar machen. Damit schließt sich ein Kreis: Franks Vater hatte sich maßgeblich für den Bau des Gotteshauses eingesetzt, Frank selbst war bis 1936 Vorsteher der jüdischen Gemeinde.

"Ein Stück Wittlich kehrt zurück" titelte der TV Ende März, als Mitglieder des Arbeitskreises "Jüdisches Leben in Wittlich" den Schrank des zur Flucht gezwungenen Wittlicher Juden Emil Frank (1878 bis 1954) von Köln wieder in die einst so geliebte Heimatstadt des Vertriebenen schafften. Nach Köln kam der Schrank als Erbstück: Die einstige Haushälterin des Wittlicher Textilhändlers hatte das Möbel ihrer Nichte Ursula Junk vererbt. Die wiederum verfolgte als Journalistin die Geschichte ihres Erbstücks bis nach Wittlich und verfasste darüber eine Hörfunkreportage für den Westdeutschen Rundfunk unter dem Titel "Es war ein Stück seines Herzens". Die im November vergangenen Jahres verstorbene Junk vermachte den Schrank dann wieder der Stadt Wittlich, wohl auch als Anerkennung für die Erinnerungsarbeit, die seit ihrer ersten Reportage mit dem Titel "Eine Stadt, die sich nicht erinnern will" vor Ort geleistet wurde. Wegen der Hörfunk-Reportagen Junks war auch das Haus der Geschichte Bonn auf das Möbelstück aufmerksam geworden und fragte an, ob die Stadt nicht bereit sei, den Schrank für eine große Wanderausstellung zur Verfügung zu stellen. "Schrank hin, Schrank her" titelten wir daraufhin Ende Mai. Arbeitstitel der Wanderausstellung, die im September im Jüdischen Museum in Berlin eröffnet wird, im Mai 2007 in Bonn zu sehen sein wird und 2008 in Leipzig, lautet: "Heimat und Exil - Jüdische Emigration aus Deutschland nach 1933". Ein Möbelstück hilft bei der Erinnerungs-Arbeit

3000 Objekte hat das Haus der Geschichte dafür in seiner Vorbereitung als potenzielle Ausstellungs-Gegenstände recherchiert. An dem Möbel waren die Bonner Historiker vor allem deshalb interessiert, weil es jenseits von Kunstgegenständen wie etwa Gemälden schwer ist, auch Alltagsgegenstände vertriebener Juden zu finden. Doch unter den rund 1500 Objekten, die die Wanderausstellung nun tatsächlich ab September quer durch Deutschland zeigt, wird der Schrank des Wittlicher Juden nicht zu finden sein. "Wir recherchieren sehr breit und treffen eine große Vorauswahl", erklärt Ulrich Op de Hipt, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Haus der Geschichte Bonn. Was gegen den Schrank gesprochen hat: Es ist ein relativ großes Objekt, der Ausstellungsplatz aber begrenzt. Schade finden das Stadtverwaltung und Kulturamt Wittlich. Doch kein Schaden so groß, dass kein Vorteil dabei ist: Nun soll der Schrank, wie ursprünglich geplant, noch dieses Jahr in der Synagoge ausgestellt werden. Das nach dem Wittlicher Juden benannte Emil-Frank-Institut - eine Außenstelle der Trierer Universität - bereitet eine mediengestützte Präsentation vor, die dann in dem Schrank über den Schrank, seinen einstigen Besitzer, das jüdische Leben in Wittlich und sein jähes Ende informiert. Wittlich hat sich erinnert, und Wittlich möchte auch, dass sich zukünftige Generationen erinnern. So bekommt der Schrank von Emil Frank eine wichtige Aufgabe in der Stadt, in der der jüdische Händler so gerne geblieben wäre und die er bis zu seinem Tod im amerikanischen Exil vermisst hat. Wann genau der Schrank in die Synagoge übersiedelt steht noch nicht fest. Bis dahin ist er zu den Öffnungszeiten des Emil-Frank-Instituts in der Schloßstraße zu sehen, Telefon 06571/260-124.

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