Jugendamt will Pflegefamilie in Hetzerath auflösen - Verzweifelte Kinder organisieren Facebook-Protest

Hetzerath · Drei Jugendliche haben bei einem Pflegevater in Hetzerath eine neue Heimat gefunden. Nun droht die Familie zu zerreißen, weil bislang eine Betriebsgenehmigung für die Wohnung fehlt. Ein 15-jähriges Mädchen wehrt sich dagegen und findet mit einem Facebook-Aufruf Gehör.

 Wie eine echte Familie fühlen sich die Pflegegeschwister Jasmin Kahl (von links), Clara und Adrian Beith mit ihrem Betreuer Uwe Braun. Sie kämpfen darum, in Hetzerath bleiben zu dürfen. TV-Foto: Florian Schlecht

Wie eine echte Familie fühlen sich die Pflegegeschwister Jasmin Kahl (von links), Clara und Adrian Beith mit ihrem Betreuer Uwe Braun. Sie kämpfen darum, in Hetzerath bleiben zu dürfen. TV-Foto: Florian Schlecht

Foto: Florian Schlecht

In einem Raum riecht es nach frisch aufgetragenem Nagellack, an der Wand hängt ein Traumfänger, auf einem Tisch liegen Basketball-Magazine. Wie bei einer echten Familie haben es sich Jasmin Kahl, Adrian Beith und Clara, deren echter Name nicht in der Zeitung stehen darf, in der Fünf-Zimmer-Wohnung in Hetzerath gemütlich gemacht. Die Jugendlichen leben mit ihrem Pflegevater Uwe Braun zusammen. Die 15-jährige Jasmin sagt: "Wir halten wie Pech und Schwefel zusammen."

Getrübtes Idyll

Die Worte werden nun auf die harte Probe gestellt. Das Idyll in der Familienstelle ist getrübt. Denn das Jugendamt droht, dass Clara so schnell wie möglich die Wohnung verlassen muss. Der Grund für die Aufregung: Es fehlt an einer Betriebsgenehmigung vom Landesjugendamt für die Bleibe in Hetzerath. Nun droht das Aus. Die kleine Familie reagiert mit Unverständnis - und Tränen. "Alle haben geweint. Ich habe mich gefühlt, als hätte ich allen das Herz rausgerissen", sagt Braun.

Clara war in die Familienstelle gezogen, weil sie bei ihrer Patentante nicht mehr glücklich war. "Ich durfte nur einmal die Woche duschen und musste stinkend zur Schule gehen. Hier habe ich neue Freunde kennengelernt und mich in der Schule in fast jedem Fach um eine Note verbessert", erzählt sie. Mit ihren Mitbewohnern teilt sie harte Lebenswege, die anderen haben Elternteile verloren. "Wir haben so viel Zeit in die Kinder investiert, uns um sie gekümmert. Und nun soll alles umsonst sein", klagt Braun. Jasmin Kahl gibt aber nicht kampflos auf. "Wir wollen nicht auseinandergerissen werden", sagt sie und wehrt sich mit einem offenen Brief via Facebook.

Das emotionale Schreiben verbreitete sich rasant. Mehr als 2000 Menschen haben den Aufruf bereits geteilt, sogar Nutzer aus den USA und Polen. Viele sind empört und bieten Hilfe an. Die Gruppe " Jasmin kämpft für ihre Familie " hat schon mehr als 300 Mitglieder. Braun sagt: "Sie lässt sich den Mund nicht verbieten." Der Streitpunkt mit dem Landesjugendamt ist die übergangsweise angemietete Bleibe in Hetzerath. Aus dem ursprünglichen Standort in Klüsserath flohen Jugendliche und Pflegevater. Braun: "Die Wände haben massiv geschimmelt." Die Wohnung in Hetzerath gefiel den Jugendlichen gut, im Frühjahr zog dann noch Jasmin Kahl ein.

Die Jugendhilfe Eifel, der Träger der Einrichtung, habe das Landesjugendamt informiert und keinen Widerspruch erhalten, sagt Braun. Ein Sachbearbeiter kritisierte nach einem Besuch im Juli dann, der Pflegevater habe keine Rückzugsmöglichkeit, die Räume seien als Familienstelle ungeeignet. Das Schreiben liegt dem TV vor. Braun entgegnet: "Wir leben auf 140 Quadratmetern, jeder hat ein eigenes Zimmer. Wann ich mich in meiner Privatsphäre gestört fühle, das kann ich ja wohl selber beurteilen." Noch mehr stört er sich an dem Vorschlag, in die alte Klüsserather Wohnung zurückkehren zu sollen. "Das Gesundheitsamt hat uns davon abgeraten."

Auf TV-Anfrage gibt das Landesjugendamt nun an, dass offenbar noch nicht aller Tage Abend ist. Pressesprecher Matthias Bolch: "Sofern der Träger jetzt jedoch in Hetzerath seine Einrichtung beibehalten möchte, bedarf dies einer erneuten Betriebserlaubnis mit entsprechender Prüfung der konzeptionellen, personellen und räumlichen Voraussetzungen." Bis Ende September dürfe die Immobilie als vorübergehende Einrichtung genutzt werden. Die Jugendlichen fahren nun erstmal in die Ferienfreizeit. Braun sagt: "Leider mit dem Damoklesschwert über dem Kopf."
Trennung wäre der falsche Weg

meinung

Wer die Familienstelle in Hetzerath besucht, der erlebt Jugendliche, die sich wohl fühlen. Und das nach harten Schicksalsschlägen, die ihr Leben kennzeichnen. In der Fünf-Zimmer-Wohnung haben sie eine neue Bleibe gefunden, in der sie ihre Zimmer gestaltet haben, schlafen, lernen, sich entspannen, eine professionelle Betreuung genießen, sich gegenseitig unterstützen und aufblühen.

Hat jemand ein Basketball-Spiel, feuern ihn die anderen an. Tanzt eins der Mädchen in der Hip-Hop-Gruppe, kommen die Bewohner mit zum Training. Die Freundschaften sind schon so eng, dass sie zerrüttete Familienstrukturen ersetzen. Das ist gut so - und ein Grund, die Jugendlichen nicht zu trennen. Zumal dann, wenn die alternative Immobilie eine ist, in der Jungs und Mädchen wegen Schimmels gesundheitliche Beschwerden hatten.

<u>f.schlecht@volksfreund.de

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