Jugendstrafanstalt Wittlich: Abschied von Otto Schmid aus dem Haus der tausend Türen

Wittlich · Nach fast 24 Jahren gibt Otto Schmid die Leitung der Jugendstrafanstalt Wittlich ab. Sein Fazit: Resozialisation ist wichtig, sie verhindert aber nicht immer den Rückfall in die Straffälligkeit.

 Otto Schmid

Otto Schmid

Foto: Lisa Bergmann

In eine Ecke des kleinen Haftraumes steht ein fast raumhoher Schrank. Er hat mehrere Zentimeter dicke Türen und einen schweren Korpus. Otto Schmid klopft dagegen. "17 Jahre alt ist der Schrank, viele haben ihn benutzt und nicht alle hier können Fremdeigentum wertschätzen", sagt er. Und dennoch ist kein Kratzer an dem Möbelstück aus Massivholz zu sehen. Den Schrank haben einst Häftlinge in der anstaltseigenen Werkstatt gebaut.

Schmid ist Leiter der Jugendstrafanstalt (JSA) Wittlich, es ist einer seiner letzten Tage im Dienst. Zum 1. Mai geht der 63-Jährige in den Ruhestand. Vorher führt er noch mal herum, durch "das Haus der tausend Türen", wie er sagt. Den schweren Schlüsselbund immer griffbereit, öffnet er eine Tür nach der anderen und führt in sein Büro im zweiten Stock.

1981 hat er hier als stellvertretender Leiter angefangen. Nach einer Zwischenstation in der Justizvollzuganstalt (JVA) Trier übernahm er 1993 die Leitung der JSA. Er schaut kurz nachdenklich, schüttelt dann aber den Kopf: "Ich kann wirklich nicht sagen, wie viele Häftlinge ich in all der Zeit gesehen habe."

Aber an manche von ihnen kann er sich noch gut erinnern. An den Jugendlichen zum Beispiel, der kurz vor Weihnachten 1983 aus der JSA entlassen wurde. "Der hat optimal mitgearbeitet", erzählt Schmid. Der Junge machte während seiner Haft seinen Hauptschulabschluss nach, zeigte kein auffälliges Verhalten. Doch schon im Februar 1984 war er wieder da. Ein Kumpel habe ihn zur nächsten Tat angestiftet. "Ihm fehlte das Selbstbewusstsein, zu diesem Kumpel einfach nein zu sagen", glaubt Schmid.

Die Geschichte hat ihn seither beschäftigt. Und er hat daraus gelernt: Resozialisation in der Haft ist wichtig, aber sie ist keine Garantie dafür, dass der Jugendliche nicht irgendwann wieder kommt. Dennoch glaubt er an die Wichtigkeit von resozialisierenden Maßnahmen. "Sonst wäre ich ja falsch in diesem Beruf gewesen." Mit Therapieangeboten, schulischer Qualifizierung oder einer Ausbildung in der Schreinerei oder der Schlosserei will die JSA ihre Insassen fit machen für das Leben nach der Haft.

Dass Schmid im Jugendstrafvollzug arbeiten will, war für ihn schon während des Jura-Studiums klar. "Mit ihnen kann man noch viel mehr anfangen, sie sind in der Persönlichkeitsentwicklung noch nicht so festgelegt." Außerdem gebe es im Erwachsenenstrafvollzug viel häufiger einen Wechsel.

Die Mindeshaftzeit beträgt bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht sechs Monate, im Erwachsenenvollzug ist es ein Monat. Die Häftlinge der JSA bleiben im Schnitt zwölf bis 14 Monate.

Eigentums- und Gewaltdelikte, also etwa Diebstahl oder Körperverletzung, seien die häufigsten Gründe, warum die Jugendlichen einsitzen. Ansonsten sei aber auch alles andere vertreten: "Von Mord bis Schwarzfahren."

Und Schmid betont: "Straffällig werden Jugendliche aus jeder sozialen Schicht." Natürlich gebe es aber Schwerpunkte, bestimmte Viertel etwa in Trier oder Koblenz, das ebenfalls in die Zuständigkeit der JSA Wittlich fällt. Aus diesen Vierteln kommen, sagt Schmid, besonders viele nach Wittlich. "Von so manch aktuellem Häftling saß schon der Vater hier ein."

Die nächste Generation wird er aber wohl nicht mehr kennenlernen. Für ihn beginnt jetzt ein ganz neuer Lebensabschnitt. Der Schrank dagegen bleibt und hat gute Chancen, noch ein paar Zellenbewohner zu überdauern. Der massiven Bauweise sei Dank.

Zur Person:Otto Schmid ist in Schwaben aufgewachsen. Er studierte Jura in Konstanz und wurde 1981 stellvertretender Leiter der Jugendanstalt Wittlich. Zwischen 1989 und 1993 arbeitete er im Erwachsenenstrafvollzug in Trier, bevor er als Leiter an die JSA Wittlich zurückkehrte. Schmid ist verheiratet, hat vier Kinder und drei Enkelkinder.

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