Jung, männlich, kriminell?!

Erst kommt der Alkohol, dann fallen die Hemmungen, und schließlich fliegen die Fäuste - leider immer öfter, wie die Bilanz der Kripo Wittlich zeigt. Die Zahl registrierter Körperverletzungen ist um zwölf Prozent auf 1600 Fälle gestiegen.

Wittlich/Bitburg/Daun. Die Kriminalpolizei (Kripo) Wittlich, deren Dienstbezirk die Kreise Bernkastel-Wittlich, Bitburg-Prüm, Vulkaneifel und den Altkreis Zell umfasst, arbeitet eng mit den Polizeiinspektionen Wittlich, Bitburg, Prüm, Daun, Bernkastel-Kues und Zell zusammen und hat kürzlich ihre Bilanz für das vergangene Jahr vorgelegt. Die Eckdaten: Straftaten und Aufklärung auf Rekord-Niveau: Die ermittelten Straftaten sind im Vergleich zum Vorjahr um 950 auf 15 538 Fälle gestiegen, womit auch im Fünf-Jahres-Vergleich ein Höchststand erreicht wird. Rekordverdächtig ist aber auch die Aufklärungsquote der Kripo, die mit knapp 70 Prozent weit über Bundes- (55 Prozent) und Landesdurchschnitt (63 Prozent) liegt. Kriminalitätsbelastung bleibt unterdurchschnittlich: "Die Zahl der Straftaten sagt ansich nichts zur Sicherheitslage in einem Gebiet aus", erklärt Kriminalhauptkommissar Winfried von Landenberg. Um die "Kriminalitätsbelastung" der Bevölkerung zu ermitteln, werden die Straftaten auf 100 000 Einwohner hochgerechnet. Demnach liegt der Wittlicher Kripo-Bereich mit 5700 Straftaten pro 100 000 Einwohner unter dem Polizeipräsidium Trier (rund 6500), dem Landesdurchschnitt (7360) oder Berlin (14 600). Gewaltbereitschaft nimmt zu: So genannte Rohheitsdelikte sind um zwölf Prozent auf 2161 Fälle gestiegen. "Hauptursache ist der Anstieg der Körperverletzungsdelikte um 162 auf 1598 Fälle", erklärt von Landenberg. Diese Zahl sei "besorgniserregend" und zeige, dass die Gewaltbereitschaft wachse. Zudem beobachten die Beamten, dass vor allem Jugendliche "unter starkem Alkoholeinfluss" bei öffentlichen Festveranstaltungen in Schlägereien verwickelt waren. Aber: Fast jeder Schläger ging den Ermittlern ins Netz (Aufklärungsquote: 93 Prozent).Die Hälfte sind Diebstähle und Betrugsdelikte: 4440 Diebstähle weist die Bilanz aus(2005: 4540), davon 271 Wohnungseinbrüche (2005: 225). Bemerkenswert ist, dass die Kripo bei den Wohnungseinbrüchen ihre Aufklärungsquote von knapp neun Prozent (2005) auf 53 Prozent gesteigert hat. Von Landenberg: "Das ist unter anderem deshalb gelungen, weil wir mit den Polizeiinspektionen Bitburg, Prüm und Daun eine Einbruchserie mit vier Tatverdächtigen aufgeklärt haben." Rechnet man die 3461 Vermögens- und Fälschungsdelikte (2005: 3380) mit den Diebstählen zusammen, zeigt sich, dass auf diese beiden Deliktarten mehr als die Hälfte aller ermittelten Straftaten entfallen. Dazu, dass die Kripo 2006 so viele Vermögens- und Fälschungsdelikte ermittelte, hat vor allem ein Wittlicher beigetragen, der in rund 1000 Fällen Kunden des Internet-Auktionshauses "ebay" betrogen hat. Mit 90 Prozent ist die Aufklärungsquote hier ebenfalls hoch.Ermittlungserfolge bei Drogen-Delikten: Gut 12 000 Rauschgiftdelikte ermittelte die Kripo 2006 (24 Prozent mehr als 2005). Zu diesem Erfolg haben vor allem verstärkte Kontrollen im Straßenverkehr beigetragen. Beim illegalen Handel und Schmuggel von Rauschgift hat die Kripo mit rund 400 Fällen knapp 35 Prozent mehr Dealer dingfest gemacht als 2005. Ein Viertel der Täter istunter 21 Jahre: Kriminalität ist vor allem männlich: Von den 7326 ermittelten Tatverdächtigen (690 mehr als 2005) sind nur 22 Prozent Frauen. Auffallend zudem: Der Anteil der unter 21-jährigen Verdächtigen ist mit 26 Prozent konstant hoch. Meinung Sozialer Sprengstoff Alkohol und Aggression verbinden sich zu einer unheilvollen Allianz, die sich bundesweit in einem besorgniserregenden Anstieg von Körperverletzungen in den Kriminalitätsbilanzen niederschlägt. Stand in Rheinland-Pfalz vor zehn Jahren "nur" jeder 26. Tatverdächtige unter Alkoholeinfluss, war es 2006 schon jeder Neunte; von den Heranwachsenden war sogar jeder fünfte Tatverdächtige alkoholisiert. Eine Verrohung der Gesellschaft zu beklagen, hilft wenig, Ursachen-Forschung tut not. Wie viele der jugendlichen Schläger sind in die Gesellschaft nur unzureichend integriert, haben keine Chancen im Bildungs- und Berufssystem und kennen Gewalt schon aus ihren Familien zu Genüge? Darüber geben die Bilanzen wenig Aufschluss, doch zahlreiche Studien legen den Schluss nahe, dass die mangelnde Integration von Menschen mit Migrationshintergrund sowie die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen aus sozialen Randlagen sich zum gesellschaftlichen Sprengstoff entwickeln könnte. Vor diesem Problem so lange die Augen zu verschließen, bis es sich angesichts brennender Vorstädte und randalierender Banden nicht mehr leugnen lässt, wäre fatal. Jugendliche brauchen Unterstützung, Perspektiven und Alternativen zu kriminellen Karrieren, in die leichter rein- als rauszukommen ist. d.schommer@volksfreund.de

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