Kein Platz für Stolpersteine

Mit Mahnwache und Kranzniederlegung wird am Sonntag in Wittlich an die Reichspogromnacht 1938 gedacht. Messing-Blöcke mit Namen deportierter Menschen sind hingegen, anders als beispielsweise in Bernkastel-Kues, nicht in der Diskussion oder geplant.

 „Stolpersteine“ wie diese in Wiltingen gibt es in über 300 Orten Deutschlands. Mit den Steinen vor den Häusern wird die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst dort wohnten. TV-Foto: Archiv/Thomas Budack

„Stolpersteine“ wie diese in Wiltingen gibt es in über 300 Orten Deutschlands. Mit den Steinen vor den Häusern wird die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst dort wohnten. TV-Foto: Archiv/Thomas Budack

Wittlich. Alfred und Bella Ermann starben im Sobibor. Sie wurden ermordet - weil sie Juden waren. An die beiden Wittlicher erinnert eine Tafel in der ehemaligen Synagoge in der Himmeroder Straße. Und auch sonst wird die Erinnerungsarbeit an die früheren Mitbürger in Wittlich groß geschrieben. Die "Stolpersteine" - im Straßenbelag eingelassene Gedenktafeln aus Messing - sind hingegen kein Thema.

Anders in Bernkastel-Kues: Dort verlegte jüngst Künstler Gunter Demnig vor ehemaligen jüdischen Wohnhäusern 17 Gedenksteine - "Stolpersteine" (der TV berichtete). Sie tragen Namen und Lebensdaten von Opfern des Holocaust. Der Stadtrat Bernkastel-Kues hatte im März der Verlegung von "Stolpersteinen" zugestimmt. Mitinitiiert hat die Aktion das Bündnis für Menschlichkeit und Zivilcourage Bernkastel-Wittlich. Bernkastel-Kues war in Deutschland die 372. Kommune, in der auf diese Art und Weise an die umgebrachten Mitbürger erinnert wird. Auch in Trier, Hermeskeil oder in Waldrach wird an mehreren Stellen auf diese Art und Weise an die vertriebenen und umgebrachten Menschen gedacht.

270 Juden gab es in den 30er-Jahren in Wittlich. Viele von ihnen starben in Konzentrationslagern. Ihrer gedacht wird unter anderem mit einer Mahnwache am 9. November auf dem Marktplatz und einer Kranzniederlegung an der Synagoge.

Deportationshäuser befinden sich in Nähe der Synagoge



In unmittelbarer Nähe befinden sich die Deportationshäuser. Dort mussten die Juden wohnen, nachdem sie ihre eigenen Häuser hatten verlassen müssen. Wo diese waren und wo somit Standorte für "Stolpersteine" wären, ist beispielsweise nachzulesen in der Broschüre "Wittlich 1938 - 2008. 70 Jahre ,Reichskristallnacht'. Erinnern - Gedenken". Dort gibt es einen Stadtplan, auf der neben der jüdischen Schule in der Karrstraße auch mehrere Häuser verzeichnet sind, in den jüdische Mitbürger lebten.

Nach Auskunft von Marianne Bühler vom Arbeitskreis "Jüdische Gemeinde Wittlich" sind "Stolpersteine" für Wittlich derweil kein Thema. Bisher habe niemand angeregt, dass solche Steine verlegt werden sollten. "Es gibt viele Arten der Erinnerungsarbeit. Ob diese Art für Wittlich geeignet ist, weiß ich nicht", sagt Bühler im Gespräch mit dem TV. Sie berichtet davon, dass die "Stolpersteine" in anderen Orten oft übersehen würden.

Meinung

Vorübergehende Erinnerung

Die Erinnerungsarbeit an die jüdischen Bürger Wittlichs ist beachtenswert und im Vergleich mit vielen anderen Orten vorbildlich. Mit großem Engagement wird seit vielen Jahren an die Menschen erinnert, die aufgrund ihrer Religion Opfer der Nationalsozialisten wurden. Das geschieht mit Veranstaltungen, in Vorträgen oder durch Veröffentlichungen. Um so erstaunlicher ist es, dass eine Aktion wie die "Stolpersteine" kein Thema in der Stadt ist. Denn diese in den Straßenbelag eingelassenen Messing-Tafeln mit Namen und Lebensdaten der wegen ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung umgebrachten Wittlicher drängen sich den Menschen auf - jenseits aller Jahrestage und Kranzniederlegungen. Dabei kann diese Erinnerungsarbeit im Vorübergehen aufgrund ihrer Unaufdringlichkeit vielleicht viel mehr bewirken als so manches eingefahrene Erinnerungsritual. h.jansen@volksfreund.de

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