Klang der roten Zeder

Erfindungen werden manchmal an Orten gemacht, wo man sie nicht vermuten würde: In einem kleinen Wittlicher Musikgeschäft zum Beispiel. Der Inhaber Dietmar Lentes hat dort Plättchen aus Holz entwickelt, die Gitarren besonders warme Töne entlocken.

Wittlich. Ding-dong macht eine Glocke. Ihr Klang wirkt ein wenig altmodisch, so wie das ganze kleine Musikgeschäft. Brauner Teppichboden, von der Decke baumeln Gitarren, auf Regalen stehen Trompeten, Klarinetten und musikalisches Gerät, dessen Zweck Laien nicht einmal erahnen würden. Wie stellt man sich denn einen Ort vor, an dem Erfindungen gemacht werden? Das Geschäft gehört dem gelernten Instrumentenbauer Dietmar Lentes. Viele wie dieses gibt es nicht mehr. Hier ist noch alles aus einer Hand. Lentes berät, egal ob es um den passenden Blockflötenreiniger geht oder das neue Keyboard. Er repariert. Gerade erst hat ein junger Mann seine kaputte Gitarre bei ihm abgegeben. Er unterrichtet: Gitarre, Saxofon, Akkordeon, Klarinette, Klavier, Blockflöte. Auch Problemfälle, heißt es auf der Internetseite des Geschäfts. Der Unterricht findet während der Geschäftszeit in einem kleinen Raum statt, der nur mit einer Schiebetür vom Laden getrennt ist - und die steht meistens offen. Ein Jugendlicher hat dort soeben seine Gitarre ausgepackt und übt die ersten Griffe. Und dann gibt es im Geschäft noch die "Picks". Wohlsortiert liegen sie in einer Vitrine. Picks oder Plektren, Einzahl Plektron, sind tropfenförmige, mehr oder weniger flexible Plättchen, mit denen Gitarrensaiten gezupft werden. Meist sind sie aus buntem Kunststoff. Lentes' Picks aber sind aus Holz. Er hat sie selbst erfunden.Die Philosophie dahinter sei, nicht mehr mit totem Material zu spielen: "Nicht mehr dieser plastikhafte Anschlag, dieser kleine fletschende Ton, diese ganzen Nebengeräusche", sagt er. Mit "Woodpicks" erziele man einen ,fetten', warmen und natürlich klingenden Gitarrenton, heißt es auf der Internetseite, über die Lentes seine Erfindung inzwischen europaweit vertreibt. "Das Ganze war nur mal so 'ne Idee", sagt der Erfinder. In der Werkstatt habe ein Stück Nussholz herumgelegen. Daraus schnitzte er das erste Holz-Plektron - Musiker sind schließlich immer auf der Suche. Damit habe er dann im Laden mal gespielt. "Oh, was ist das denn", fragte der erste Kunde und dann viele weitere. Sie probierten es aus. Sie fanden es gut. Weil er darum gebeten wurde, fertigte Lentes das zweite Plektron, dann das dritte. "Ob unterschiedliche Holzarten wohl unterschiedlich klingen?", fragte er sich irgendwann und begann zu experimentieren. Die Antwort war eindeutig: Ja. Nussbaum klingt nicht so brillant wie das harte Holz des Buchsbaums. Hellere Töne erzeugt Palisanderholz. Manch andere Holzart erwies sich als völlig ungeeignet.Mit zwischen fünf und zehn Euro kostet die Wittlicher Spezialität weit mehr als das Handelsübliche. "Das ist eine sehr aufwendige Handarbeit", erklärt Lentes. Wie die Plektren produziert werden, will er nicht verraten. Nur so viel: Nachdem sie geschnitten und geschliffen sind, wird ihre Oberfläche noch gehärtet - nicht lackiert. Denn sie müssen griffig bleiben. So wurde aus einer Idee ein Produkt, für das sich inzwischen zahlreiche Musiker begeistern können. "Sehr viel mehr als jetzt könnte ich gar nicht produzieren", sagt jedoch der Erfinder. Er mache das ja nebenbei. Mit Experimenten ist deshalb jedoch noch lange nicht Schluss: Nachdem sich Eukalyptus als schöne klangliche Überraschung entpuppt hat und frisch ins Sortiment aufgenommen wurde, geht bald die Rot-Zeder in die Testphase. "Eine seltsame Holzstruktur", sagt Lentes kopfschüttelnd. Er ist gespannt.Ding-dong macht die Glocke. Ihr altmodischer Klang vermischt sich mit den Akkorden des Gitarrenschülers, kurz bevor die Tür sich schließt. Wieso sollte man sich einen Ort vorstellen, an dem Erfindungen gemacht werden? Auf die Ideen kommt es an.Das Plektron Plektren (Einzahl Plektron) sind etwa münzgroße, tropfenförmige Plättchen, mit deren Hilfe Musiker die Saiten von Zupfinstrumenten anschlagen. Die meisten Plektren sind aus Kunststoff, früher wurde auch Horn oder Schildpatt verwendet. Zwischen den verschiedenen Materialien gibt es deutliche Klangunterschiede.

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