Kreis greift nach dem Geld der Gemeinden

Schulden-Rekord im Landkreis Bernkastel-Wittlich: nach Geldquellen wird gesucht. Es gibt nur eine nennenswerte: die Kreisumlage. Sie liegt bei derzeit 39,3 Prozent. Das wären für 2010 rund 36,8 Millionen Euro. Bis zu fünf Prozentpunkte und mehr werden als Erhöhung befürchtet. Entschieden ist noch nichts, jedoch zwingen die tiefroten Zahlen den Landkreis zum Handeln.

Bernkastel-Wittlich. (sos) "Jetzt stehen auch noch die Gemeinden vor dem Bankrott! Jeder Bürgermeister hat rote Augen bekommen! Wir haben doch Pflichtaufgaben, die bezahlt werden müssen, etwa die Kindergärten. Uns brechen ja auch massiv die Einnahmen weg. So werden wir doppelt bestraft!" Matthias Stoffel, Ortsbürgermeister von Osann-Monzel, ist schockiert. Er war auf der Versammlung des Städte- und Gemeindebundes in Salmtal. Dort hat der erste Kreisbeigeordnete Alex Licht mitgeteilt: "Man muss über alles reden, auch über eine Umlagenerhöhung".

"Man spricht von vier bis fünf Prozent und mehr", sagt Matthias Stoffel. Fakt ist: Mit einer Nettoneuverschuldung von 8,8 Millionen Euro rechnet der Landkreis 2010. Der Höchststand bei den Investitionskrediten ist mit 57,3 Millionen Euro erreicht. Dazu kommen Liquiditätskredite, nur um das Geschäft am Laufen zu halten, von 27,2 Millionen Euro, ebenfalls ein Spitzenwert. "Wir werden auch in der Umlage reagieren müssen, um die vorhandene Ausgleichsfunktion des Landkreises erhalten zu können", sagt Alex Licht und fordert zudem: "Auf Dauer muss ein neuer Zuschnitt des Finanzausgleichs her."

Bis der kommt, müssen die Gemeinden den Kreis mitfinanzieren. Der sorgt damit etwa für die weiterführenden Schulen oder für das mit 487 Kilometern zweitgrößte Kreisstraßennetz des Landes. Und mit der derzeitigen Kreisumlage kann er etwa nur 82,5 Prozent der Ausgaben seiner Aufgaben im Bereich "Soziales und Jugend" bezahlen.

Auf TV-Nachfrage erklärt Alfons Kuhnen, Pressesprecher der Kreisverwaltung, der Entscheidungsprozess sei zwar noch nicht endgültig abgeschlossen, aber: "Nach den kommunalrechtlichen Vorschriften ist der Landkreis zwingend verpflichtet, bei unausgeglichenem Haushalt seine Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Zur Beschaffung von Einnahmen in nennenswertem Umfang hat der Landkreis leider zur Erhöhung der Kreisumlage tatsächlich keine Alternative."

"Schon vier Prozent Umlagenerhöhung wären enorm. Dagegen kämpfen ist sinnlos, weil der Kreis ja auch seine Aufgaben zu erfüllen hat", kommentiert Ewald Heck, Ortsbürgermeister von Landscheid, die Aussichten auf TV-Nachfrage. Weiter sagt er: "Wir selbst können keine Gebühren erhöhen, denn die Bürger sind schon genug belastet. Dann müssen wir gucken, wie wir vor Ort unsere Projekte überhaupt noch umsetzen können." Reinhard Berg, gastgebender Ortsbürgermeister der Versammlung in Salmtal, sagt: "Keiner wird erfreut sein. Jede Erhöhung schwächt die Ortsgemeinden, die am kürzeren Hebel sitzen. Generell muss jeder schauen, wie er seine Aufgaben erfüllt. Es müsste aber auch auf den Tisch gelegt werden, wie sich der Kreis und die Verbandsgemeinden durch massives Sparen gegen die Kostenexplosion stemmen."

"Ich werde auf die Barrikaden gehen", sagt Matthias Stoffel.

Otto-Maria Bastgen, Vorsitzender des Städte- und Gemeindebundes im Kreis, konnte für eine Stellungnahme nicht erreicht werden.

Meinung

Die Talfahrt

Gigantisch sind die Schuldenberge, die sich ringsum auftürmen. Ihre Größe ist nur noch abstrakt zu nennen, sie entzieht sich der Vorstellungskraft. Und: Die finanzielle Talfahrt geht weiter. Mitgefangen, mitgehangen ist das Motto der kommunalen Selbstverwaltung, die hauptsächlich ein Minus verwaltet. Dieses System scheint keine Grenzen zu kennen. Die Bereitschaft, es zu ändern, dagegen ist keineswegs grenzenlos: Wo bleiben die Abstriche bei den Aufgaben? Wer sagt endlich: Stopp? Statt nur über neue Gebietszuschnitte muss endlich auch über eine kommunale Finanzreform diskutiert werden. s.suennen@volksfreund.deExtra Kreisumlage: Da die Landkreise keine nennenwerten Einnahmen wie die Gemeinden und angehörigen Städte haben, erheben sie eine Kreisumlage. Sie wird aus der jeweiligen Steuerkraft, die unter anderem aus den Gewerbesteuer-Einnahmen vor Ort errechnet wird, entrichtet. Der Kreistag beschließt die Höhe der Umlage. Die betroffenen Städte und Gemeinden können dabei nicht mitbestimmen. Laut Alex Licht bedeuten ein Prozentpunkt Kreisumlage in Bernkastel-Wittlich derzeit 937 000 Euro. Der Durchschnittssatz im Land sind 39,6 Prozent-Punkte. (sos)

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