Lilly schreit auch nachts

WITTLICH. (peg) Schwangerenberatung nicht nur im Konfliktfall: Die evangelische Diakonie beschreitet neue Wege, besonders auf dem großen Feld der Präventivarbeit.

Man stelle sich vor: Da kommt das eigene Kind, gerade mal zwölf oder 13 Jahre jung, mit einer harmlos wirkenden Puppe nach Hause. Lilly heißt das Baby, wiegt sieben Pfund, ist drei Monate alt, und wenn es ausgeschlafen hat, beginnt das Gezeter. Dann nämlich verlangt Lilly, das auf die Realität programmierte Computerbaby, nach der Flasche, einer frischen Windel, oder einfach nur danach, auf dem Arm gewiegt zu werden. Wenn es dumm läuft, um 3 Uhr in der Nacht, und wenn es ganz dumm läuft, krakeelt Lilly 20 lange Minuten. Mit Lilly kommen Hilde Hammel, Christa Meyer und Dorothea Müller, die drei Diplom-Sozialpädagoginnen der Schwangerenberatung der evangelischen Diakonie, in die Schulen des Landkreises. Das Projekt heißt "Babytime" und soll vermitteln helfen, was es heißt, Mutter oder Vater zu werden. Durch diese Arbeit erkennen die Jugendlichen rasch: Sexualität sollte bewusst, verantwortungsvoll und in Kommunikation mit dem Partner gelebt werden. "Wir befassen uns ja mit einem der sensibelsten Themen überhaupt", erläutert Meyer, "einerseits hoch emotional und zugleich mit zahllosen Schamgefühlen besetzt". Das erklärte Ziel der Pädagoginnen: Den Jungen und Mädchen zu vermitteln, dass sie selbst entscheiden können, schwanger zu werden, wann sie es wollen. 450 Teilnehmer verzeichnete die Diakonie im Jahr 2006 bei ihren präventiven Gruppenangeboten. Gebucht werden sie von Lehrern, von Leitern von Konfirmations- und anderen Jugendgruppen. Als Externe bieten die Diakoniefachfrauen die Kompetenz und den für ein offenes Beratungsgespräch hilfreichen Abstand. Daneben gibt es Einzelberatungen in Thalfang, Morbach, Wittlich, oder bei Bedarf in der Wohnung der Ratsuchenden. Dabei ist die Gruppe der über 40-Jährigen sowie die der Minderjährigen verhältnismäßig klein. Die Präventivarbeit, die auch andere Stellen forcieren wird - beispielsweise die "Gemüse-Kampagne" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung - zeigt Wirkung: Auch im Landkreis gehen, wie in ganz Deutschland, die Abtreibungszahlen bei Minderjährigen zurück. Andere Entwicklungen dagegen erschrecken die Sozialpädagoginnen. In 75 Schwangerenberatungen (im Gegensatz zu den Konfliktberatungen) stellten viele in Armut lebende Mütter einen Antrag auf die Auszahlung von Geldern der Stiftung "Mutter und Kind". Da Hartz IV-Empfängerinnen das Geld für Verhütung sowie das Elterngeld im zweiten Lebensjahr des Kindes gestrichen wurde, unterstützt ein Härtefonds der evangelischen Kirche Mütter, die sich für das werdende Leben entscheiden. Allerdings nur dann, wenn die Mutter nachweisen kann, dass ihre Schwangerschaft ein Konfliktfall war. Das heißt: Werdende Mütter sollten sich vor der zwölften Schwangerschaftswoche bei der Diakonie beraten lassen, sonst können sie selbst durch dieses soziale Netz hindurch fallen, auf das kein Rechtsanspruch besteht. Dann können sie sich aber immer noch an Vereine wie "Hoffnung für das Leben" wenden, die Mütter da unterstützen, wo die Hilfe am nötigsten ist - mit Wickeltischen, Kinderbetten und Kinderwagen.

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